Absichtslosigkeit
In letzter Zeit lese und höre ich gerne etwas von Klaus Eidenschink. In seinen Büchern oder frei zugänglichen Aufsätzen (mit dem nostalgischen Zusatz „Fassung zum persönlichen Gebrauch“) oder in seinen Videos gibt er mir regelmäßig etwas zum tiefen Nachdenken und Nachempfinden mit. Das Besondere, was mich reizt wie irritiert, ist seine kontraintuitive Position, z.B.: Dass man Konflikte „gleichermaßen schüren wie beruhigen“ können müsse oder dass es im Coaching nicht darum gehen soll, „das Problem weg zu machen“ oder das im Management in der Regel „nichts entschieden“ wird … die Liste ist lang. Seine von Philosophie, Systemtheorie und Psychologie gestützten Ausführungen führen nicht zu einem „Malen mit Zahlen“. Ganz im Gegenteil: Man sitzt nach der Lektüre unentschieden „auf dem Zaun“, ist aber wachsamer gegenüber den einmaligen Situationen, in der wir uns als Coaches, Managerinnen oder einfach Menschen ständig verstricken. Gegen diese Verstricktheit gibt es nicht das eine Mittel; ‚Absichtlosigkeit‘ ist ein von Eidenschink empfohlener Rat, den man aber in einer Welt voller Absichten erstmal aushalten muss.
Learning AID 2024
Gestern war ich auf der Learning AID 2024, eine Konferenz, die seit drei Jahren am Start ist und sich auf das Thema „KI & Hochschulbildung“ spezialisiert hat. Ich möchte nur zwei Punkte herausgreifen, die mir gefallen haben: Zum einen konnte ich im Vortrag von Herrn Stracke (Uni Bonn) erfahren, dass es ein „Netzwerk ethische Nutzung von KI“ gibt, das u.a. eine leichtgewichtige Handreichung für die Hochschule erarbeitet hat, und dass für das Thema eine spezielle europäische Institution existiert: das „Council of Europe“. Toll! Letzteres wusste ich nicht, und es ist sehr wichtig, weil der AI-Act viel zu allgemein formuliert ist, um „Bildung“ zu schützen. Zum zweiten war die Podiumsdiskussion interessant. Mit Marco Kalz, Gabi Reinmann, Anika Limburg und Inga Gostmann waren Stimmen aus der Professorenschaft, dem Mittelbau und der Studierendenschaft vertreten. Die Diskussion drehte sich um Fragen der KI in der Hochschullehre: von Prompting-Kompetenz über neue Prüfungen bis zu bildungsphilosophischen Forschungsansätzen. Dass die Hochschule vor dem Hintergrund der KI-Entwicklungen „grundlegend neu zu denken ist“, formulierten alle. Orientierung wollen die „Future Skills“ geben, zu der Marco und Gabi einen kritischen Beitrag verfasst haben. Schließlich wurde noch auf zwei Begriffe hingewiesen, die mir besonders gefallen haben: Beziehungsqualität und Vertrauen. Ja, ohne diesen „humanoiden Kern“ wird es in der KI-Zukunft nicht gehen – für alle Institutionen, die formale Bildung betreiben, eine Herausforderung!
Ein radikal neues Wirtschaften?
Am 05. Juli war ich in Duisburg auf dem Sommerfest der Anthropa gGmbH. Was ist das: Sommerfest + Anthropia? „Sommerfest“ ist, wenn ca. 400 frohgelaunte und neugierige Menschen in einem gartenähnlichen Stiftungsgelände zusammenkommen und sich von geführten Impulsen, informellen Gespräche und cooler Musik inspirieren lassen. „Anthropia“ ist eine gemeinnützige Organisation im Zwischenraum von Sozialunternehmertum, Wissenschaft und Politik, die es sich zur Aufgabe macht, Menschen zusammenzubringen, für die (der letzte Satz hat es in sich) „eine andere Welt möglich ist!“
Es würde den Rahmen dieses kurzen Beitrags sprengen, um auf die Philosophie der Anthropia tiefer einzugehen, aber am Ende geht es darum, für ein sozial-ökologisches Wirtschaften zu inspirieren und konkrete Wege der Umsetzung (= Transformation) zu bahnen. Und das ist ebenso ganzheitlich wie radikal gemeint, denn, das neue Wirtschaften betrifft ein „Umwerten aller Werte“ (vgl. Podcast mit Karsten Ottenberg), angefangen beim Wirtschaftszweck (Primat Impact) über Prozesse (systemische Geschäftsmodelle oder partizipative Führung) bis zu neuen Finanzmodellen und Kooperationsformen.
Mir hat das Sommerfest gefallen, …
- weil dort unter dem Stichwort „Sozialunternehmertum“ sehr verschiedene Menschen und Biografien zusammengekommen sind: Bankerinnen, Juristen, Architektinnen, Technikerinnen, Pädagogen … bis zu Sozialarbeiterinnen. Als eine solche Sozialarbeiterin outete sich z.B. Christiane Underberg (ja, genau die), die launig und authentisch über „Enkelfähigkeit“ sprach und damit dem inflationären „Nachhaltigkeitssprech“ eine intuitive und gut nachvollziehbare Form gab.
- weil ich dort das Projekt der „Alon Academy“ kennen lernen durfte: Bei Gründer Lukas Loja (und den Kindern) steht das „Gekonnte Scheitern“ als Basiskompetenz von zukünftigen Entrepreneuren im Zentrum. Das setzt viel Experimentierraum und eine Lernkultur voraus, bei dem der Begriff „Fehler“ aus dem Wortschatz gestrichen ist: An dessen Stelle tritt das Wort Mutmachen und der Zuspruch, dass es beim nächsten Anlauf besser wird.
- weil ich dort Oliver Kuschel, einem Gründer der Anthropia (neben Dirk Sander) „Hallo“ sagen durfte: Dabei konnte ich mein noch unscharfes Interesse am Projekt „School of Transformation“ zum Ausdruck bringen.
Was mir auffiel: Unter dem Dach des sozial-ökologischen Unternehmertums kommen Menschen zusammen, die ganz sicher an eine andere mögliche Welt glauben, dies aber in sehr unterschiedlicher Weise und mit unterschiedlicher Radikalität tun: Da sind welche, die ein „Mietportal“ betreiben, damit Menschen z.B. Gartengeräte mieten statt kaufen – ein klassisches Geschäftsmodell, guter Zweck, ok. Da gibt es welche, die bauen Wälder in Schwellenländern an (pro Klima), mit denen eine systemische Transformation (pro Arbeit) in den Regionen stimuliert wird, die sich in Genossenschaften (Besitz) organisieren und durch ein spezielles Renditemodell (Geld) finanzieren – also systemische Veränderungen, klasse! Und schließlich gibt es da welche, die laden Menschen dazu ein, einem „Change Club“ (Gründer Daniel Klein) beizutreten, um mit Hilfe einer passenden App Veränderungsprozesse im Team zu organisieren, was Motivations- und Vertrauenslücken überwinden hilft – hier finden wir also herausragenden Ansatz der versucht, eines der größten Probleme zu lösen, das des „soziale Dilemmas“.
Was ich sagen will: Das „Sozialunternehmertum“ ist selbst im Werden, Vieles ist noch in der Geburtsphase, aber wichtig erscheint mir, dass dort zwischen Staat und Privat ein neues Gravitationsfeld entsteht, welches das klassische Ehrenamt oder klassische NGOs ablöst und finanziell belastbare und wirksame Strukturen aufbaut. Das Ziel dahinter lautet: die Sozial- und Ökologieprobleme aus Gegenwart und Zukunft mit unternehmerischen Mitteln (!), raffinierten sozialpsychologischen Verfahren (!) und am Ende auch mit passender Technologie (!) – genau in dieser Reihenfolge – zu lösen.
Design mit Theorie, nicht ganz ohne
Als ich mit Gabi vor ca. 15 Jahren meinen ersten und bisher einzigen Artikel zum Thema „Design-Based Research“ schrieb, wusste ich nicht, dass mich das Thema noch lange begleiten würde. Zum einen konnte ich Gabi bei ihrem über 20-jährigen „Ringen“ zu DBR über die Schulter schauen; bei uns gibt’s zum Frühstück nicht selten Text- und Ideenfragmente als Geistesnahrung mit Bitte um Feedback 😉. Zum anderen habe ich selbst in den letzten beiden Jahrzehnten im Kontext der Beratung von Organisationen dabei mitmachen dürfen, diese zu verändern, und das läuft darauf hinaus, Neues zu erfinden, dieses Neue in der Praxis zu pilotieren und das, was man lernt, zu etwas Systematischem zu ordnen.
Dass das Letztgenannte etwas mit „Design“ zu tun hat, habe ich erst in tieferer Auseinandersetzung mit dem neuen Buch „Forschendes Entwerfen“ (Freier Download, cc) von Gabi Reinmann, Dominikus Herzberg und Alexa Brase verstanden. Warum?
Normalerweise denken wir uns Veränderungsprozesse in Organisationen als Phasen: Analyse, Ideen- und Prototypenentwicklung (Design), Umsetzung, Evaluation, Re-Design. Viele DBR-Modelle haben diese Grundfigur der Phasen übernommen und man erkennt schnell, dass „Design“ typischerweise nur an zwei Stellen explizit wird, nämlich beim „Konzept“ und bei der „Weiterentwicklung des Konzepts“. Design bleibt damit im Veränderungsprozess etwas Selektives und am Ende etwas für Schön- oder Schöpfergeister.
Die Autoren von „Forschendes Entwerfen“ gehen mit Inspiration des Schweizer Designforschers und Architekten Simon Kretz einen anderen Weg: Bei ihnen ist das „Entwerfen“ (= Designhandlung) theoretisch wie praktisch an alle (!) Phasen des Veränderungs- und Erkenntnisprozesses gebunden, das heißt: Man entwirft und erkennt, wenn man neue Ideen erfindet (immer in Rückgriff auf und im Abgleich mit Theorien, Normen und Standards, die es schon gibt), man entwirft und erkennt, wenn man das Konzept in der Praxis projektiert (und dabei merkt, wie widerständig die Praxis gegenüber der Idee ist), man entwirft und erkennt, wenn man die Passungen und Nichtpassung von Idee und Projektierung systematisch ordnet (und sieht, wo Invarianten oder lokale Prinzipien stecken). Der theoretische wie praktische „Clou“ liegt in der Gleichzeitigkeit von erfindenden, projektierenden und ordnenden Handlungen, wobei Gleichzeitigkeit eher ein Oszillieren des Bewusstseins meint, ein „in der Luft halten und Bezugnehmen“ sehr unterschiedlicher Gegenstände und Prozesse. Es kann also sein, dass ich gerade ein Konzept erfinde (Phasenbezug), aber „ich tue das in einer Weise“, dass ich durch Gedankensimulation die Idee praktisch projektiere und durch Antizipation der Ergebnisse Ordnung schaffe, die mich zu ersten, wenn auch vagen, Erkenntnissen führen. Es geht also nicht mehr um einen „Dreischritt“, sondern um einen „Dreiklang“, ein gleichzeitiges Jonglieren und Variieren mit den drei Entwurfs- oder Designhandlungen. Mit dieser Metapher lässt sich der innovative Kern fassen.
Die Abbildung 4 aus dem Buch (S. 35) zeigt diesen „Shift“ vom Dreischritt zum Dreiklang; eine unscheinbare Grafik, die es aber in sich hat, weil damit der Übergang von einer „objektivistischen“ Phasenstruktur hin zu einer handlungstheoretischen Ordnung getan ist, was – wenn man so will – methodologische, epistemische, ontologische und anthropologische Konsequenzen hat.
Die Leistung des Buches liegt nicht in der Herausarbeitung dieser Hintergrund-Dimensionen, sondern darin, DBR erstmals konsequent von der Designtheorie her zu denken sowie in der Beantwortung der Frage, wie man im Kontext der Hochschule eine designbasierte Bildungsforschung methodisch praktisch betreibt. Der Gewinn liegt also genau in dieser „Brücke“ zwischen eleganter Theorie und hilfreichen Methoden, einschließlich der Standards, die diese Brückenbegehung sichern sollen.
Selbstbeobachtungen
Bücher muss man lesen, wenn die Zeit gekommen ist.
Eines der Bücher, für die „meine Zeit“ gekommen ist, ist das von Klaus Eidenschink und Ulrich Merkens „Entscheidung ohne Grund“. Das schmale, etwa 100 Seiten umfassende Bändchen soll helfen, „Organisationen zu verstehen und zu beraten“.
Wer sich dranmacht, dass Buch zu lesen, muss Abschied nehmen von „richtig-falsch Entscheidungen“ und „feststellbarer Objektivität“, also dem klassischen Credo der Naturwissenschaft. Stattdessen treten komplexere Fragen auf den Plan: „Welche Entscheidung über ein Problem ist für wen zu einem gewählten Zeitpunkt mit welchen Nebenfolgen und mit welchen Zielsetzungen auf welche Weise kommuniziert passend und unpassend?
Um solche Typen von Fragen systematisch anzugehen, schlagen die Autoren neun Leitunterscheidungen vor, die sie in ihren Modell nach einer Sach-, Sozial- und Zeitdimension ordnen (vgl. Metatheorie der Veränderung). Ein Beispiel: „Organisationen müssen sich entscheiden, ob sie eine Regel anwenden oder situativ entscheiden. Dienst nach Vorschrift bringt alles zum Erliegen. Alles nur situativ zu regeln, erzeugt zu wenig Koordination und Verlässlichkeit“ (S.21). Im Beispiel haben wir also eine Leitunterscheidung in der Zeitdimension „Gegenwartbehandlung“ mit den Polen „regelgerecht und situationsgerecht“.
Entscheidend für das Verständnis des Modells sind die „Pole“. Sie bilden keine binären Gegensätze (wie richtig-falsch), sondern beschreiben sich ergänzende Orientierungen, die man in der Praxis beide im Blick haben muss, obwohl sie sich (logisch) widersprechen. Damit das nicht beim dummen Esel endet, der zwischen zwei Heuhaufen verhungert, gilt es vor allem, dynamisch zu fragen, wann und für wen der jeweilige Pol bedeutsam ist bzw. sein sollte.
Nun gibt es aber nicht nur eine Leitunterscheidung, sondern neun! Und keiner dieser Leitunterscheidung ist unabhängig von den anderen. „Das Geflecht und die damit verbundenen wechselseitigen Einflussnahmen, Begrenzungen und Kombinationen sind nicht zu überblicken, nicht zu kalkulieren und nicht zu planen.“ (S.95). Die Autoren sprechen deshalb im Titel ihres Buches von ‚Entscheidung ohne Grund‘. „Da Entscheidungen immer auf gleichwertigen Alternativen beruhen, gibt es für die Wahl keine rationale Begründung, sondern nur Begründungen, die die Willkür in jeder Entscheidung unsichtbar macht oder mildert.“ (S. 95). Na, wunderbar 😊. Hat man das aber verstanden, dann ist es entlastend, denn was realistischerweise übrig bleibt, ist nicht mehr, aber auch nicht weniger (!) als ein „Raten auf hohem Niveau“ über eine prinzipiell unbekannte Zukunft.
Mich hat das Buch neben dem andersartigen Denkstil (Modell) auch noch in einem speziellen Aspekt angesprochen; es geht um „Kompetenz für Gefühle“. Die Autoren lenken den Blick in die Organisation: „Was alles wird vermieden aus Angst, wird erstrebt aus Gier und Eifersucht, wird unterbunden aus Schuld, wird untersagt aus Furcht, wird verfolgt aus Zorn und Wut, wird erduldet aus Liebe, wird verleugnet aus Scham, wird geglaubt aus Unsicherheit, wird ertragen aus Stolz, wird abgelehnt aus Unterlegenheit, wird fokussiert aus Eitelkeit, wird bekämpft aus Minderwertigkeit, wird verzögert aus Vorsicht, wird abgelehnt aus Kränkung, wird angestrebt aus Begeisterung, wird gut gemacht aus Freude, wird übertrieben aus Leidenschaft, wird genossen aus Lust usf.“ (S.104). Nach dieser Salve denkt man: genauso ist es!
Warum ist das aber wichtig, diese Gefühlskompetenz? Zum ersten „koppeln Gefühle Menschen wahrnehmungsseitig mit der Welt“ (S. 104) und zweitens sind alle Entscheidungen mit Gefühlen gekoppelt. Es wird das gesehen (relevante Umwelt), was gefühlt wird. Man braucht also Zugang zu seinen eigenen Gefühlen, um die Schwingungen bei Mitarbeiterinnen oder Kunden überhaupt erstmal wahrzunehmen – jetzt aber nicht, um mitfühlend oder gefühlig zu sein, sondern um Gefühle genauer zu UNTERSCHEIDEN (ist gibt sehr viele und manchmal täuschend ähnlich „klingende“, wie die Liste im letzten Abschnitt andeutet) und von da aus zu günstigen Interventionen zu kommen. Gefühle werden von den Autoren als „Antworten auf unbewusste Motive“ gedeutet. In diesem Sinne sind sie wichtige „Indikatoren von Mustern“, die man mit einbeziehen sollte … oder knapp und bündig: (Unangenehme) Gefühle sind „Ressonanzoasen“, sie weisen uns den Weg durch große Hitze, belohnen uns aber am Ende (wenn’s keine Fata Morgana ist) mit kühlendem Wasser.
Ich habe anfangs gesagt, dass für dieses Buch meine Zeit gekommen ist. Das klingt dramatischer, als es ist, aber es stimmt. Nach meinem Ausstieg aus dem eigenen Unternehmen (siehe Beitrag), lerne ich sehr, sehr langsam, den Fluss von außen zu beobachten, mich selbst außerhalb des Flusses zu sehen … und wahrzunehmen! Beim Lesen des Buches hatte ich an x Stellen ein Aha-Erlebnis; zu fast jedem Pol, der genannt wurde, werden Personen lebendig, zu allen Leitunterscheidungen gibt es mindestens eine bilderreiche Geschichte und zu der Erkenntnis „Entscheidungen ohne Grund“ gabs bisher nur eine vernebelte Ahnung. Insofern hat das Buch den Realitätstest bestanden 😊, ich verstehe jetzt besser (mich, Team, Organisation, Kunden); und meine „Dschungel-Metapher“ mit der finalen Bewertung „schön“, war nicht ganz falsch, wenn man unter „Schönheit“ schlicht „lebendig“ versteht, mit Gefühlen aus dem ganzen Erfahrungsspektrum … und dafür bin ich dankbar.
Der allerunwahrscheinlichste Fall
Zu Ostern haben wir eine „große“ Wanderung gemacht: Einmal Blankenese-Wedel hin und zurück, also über den Daumen 20 km, am schönen Elbstrand entlang. Mit dabei mein jugendlicher Brustbeutel, mit Kreditkarten, Personalausweis und Führerschein, wie sich das gehört oder auch eben nicht. Weil das Wetter sich nicht entscheiden konnte, mal frühlingsheiß, mal winterkalt, wechselte ich fortlaufend Pulli und Jacke und damit auch mein Brustbeutelchen.
Es kam, wie es kommen musste. Auf dem Rückweg vom Eismann in Wedel waren sie weg, meine Kreditkarten, vor allem der Personalausweis, der mir am Folgetag Einzug nach Italien erlauben sollte. Wir gingen also den gesamten Weg mehrfach ab, fragten zweimal beim Eismann nach, versuchten gemeinsame Spekulationen um das Wo, Wie und Wann des Verlusts … alles nutzte nix. Nach gefühlt 40 km Fußmarsch melde ich den Verlust bei der Polizei Wedel, die den Fall freundlich, aber mit Aussicht auf wenig Erfolg, protokollierte.
Auf dem Rückweg sagte Gabi: „Vielleicht gibt es doch noch gute Menschen, die den Fund zu uns nach Hause bringen. Ist unwahrscheinlich, aber wenn wir nach Hause kommen, hängt vielleicht die Brusttasche an der Tür, logisch auszuschließen ist das nicht!“ So oder so ähnlich hat sie es gesagt, was ich mit einem „Du glaubst auch an den Weihnachtsmann“ lächerlich machte.
Als wir am späten Nachmittag erschöpft und mutlos zurückkamen und um die Ecke zu unserer Haustür bogen, kam uns ein lachendes Gesicht entgegen: „Ist das Ihre Tasche? Ich war mit meiner Freundin in der Gegend und da dachten wir, dass wir die Tasche auch vorbeibringen können.“ Filmreif, wirklich groooooße Freude.
Tja, was soll ich sagen. Wahrscheinlichkeit ist was für Ungläubige.