Blog / Stiftung Erzählen
Stiftung Erzählen
Gestern war ein interessanter Tag. Wir waren im wunderschönen "Arbeitshaus" in Pöcking am Starnberger See. Dort fand die ersten Sitzung des wissenschaftlichen Kuratoriums der Stiftung Erzählen statt, wo Gabi und ich mitwirken dürfen. Neben der Realisierung "neuer Arbeitsformen" (gemeinsam Nachdenken im Teehaus, leckeres Essen am runden Tisch und schwimmen im See = blended living :-) fand ich zwei Aspekte sehr interessant. Morgens haben wir über die Möglichkeit gesprochen, dass die Erzähltage 2006 mit dem Thema Sport in Verbindung gebracht werden. Das ist nicht nur aus Marketingperspektive toll (WM) sondern bringt ein altes Lieblingsthema wieder auf den Tisch, nämlich: Sport aus einer kulturästhetischen Perspektive zu betrachten (1997/98 habe ich mich länger damit beschäftigt und zwar im Zusammenhang mit den beiden "bunten Ostereiern" von Prof. Güldenpfenning, der damals am Deutschen Olympischen Institut wirkte). Güldenpfennig hat – wie ich immer noch finde – einer der fruchstbarsten Sportdefinitionen festgeschrieben: "Sport ist selbstzweckhafte, schwerpunktmäßig im Medieum der körperlichen Bewegung vollzogene Eigenleistung, in der es um Anerekennung, Setzung und Austestung von Grenzen geht, wobei die freiwillig vereinbarte Auseinandersetzung zwischen gegnerischen Partein der (in bestimmter Weise durchaus rücksichtslose und nicht hilfsbereiten) Einrichtung dieser individuell gesetzten Ziele dient und zugleich die Erzeugung des Wettkampfes als eines äthetischen 'Werkes' dient." Die beiden Sportwissenschaftler Sven Güldenpfenning und sein berliner Kollege Gebauer haben auf dem Gebiet Sport-Ästhetik-Kultur anspruchsvolle Sachen gemacht, die wir gut in unser Thema "Sport erzählen" einbringen könnten. Ein zweiter Aspekt war aber ebenso interessant: Norbert hat in seinen bisherigen Überlegungen zum Erzählen und seiner Abgrenzung in eine Erzählen 4 Definition münden lassen. Hier spielt das "Eigenwertige" eine große Rolle. Die Interessenlosigkeit, Intentionslosigkeit etc. ist ja ein zentrales Merkmal des Kunstbegriffs. Nun bekommt man natürlich Schwierigkeiten, wenn man dem Erzähler Intentionslosigkeit unterstellt, denn: er wählt sein Punlikum aus, konstruiert eine "gute" Geschichte, nimmt ggf. auch Geld an. All dies spricht nicht für Intentionslosigkeit. Und generell: wenn der Erzähler bemüht ist, etwas gutes, d.h. aber auch etwas passendes zu schaffen (den gut erzählen war ein realtionaler Begriff wie wir im letzten blog gesehen haben) dann wäre es ein seltener Glückfall, wenn diese Passung immer spontan und ohne Absicht gelingen würde. Derjenige, der den Faust zum 100 mal aufführt ist ein Meister der Passung. Freilich! dieser (An-)Passungsprozess ist dem Künster während der Kunstproduktion nicht bewußt, während der Kunstproduktion gibt es diese Fremdinteressen beim Künstler nicht, er "zeigt" sein Werk als authetische Eigenleistung, koste es was es wolle (bis zum Rausschmiss). Erst vor diesem Hintergrund sind Phänomene wie flow, Selbstvergessenheit, Raum-Zeitverschiebungen etc. denkbar. Wenn man dem Erzähl(künstler) nicht zugesteht, dass er auch Mensch ist, dass heisst auch Interessen, z.B. zur Existenzsicherung verfolgen darf, dann entzieht man dem Künster das Humane. Wer in diesem Zusammenhang das Kunstbewußtsein (Ideal) auf das ganze Leben des Künstlers verlängern will, der drängt den Künster in eine Art Schizophrenie, denn er kann (als Mensch) nicht leisten was das Ideal von ihm verlangt. Der Ort des Künstlers ist die Bühne und hier darf man unmenschliches von ihm fordern.