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Pattern in der Pädagogik und implizite Ordnung
Eher zufällig bin ich in eine Diskussion zu Pattern hineingestolpert, die Peter Baumgartner (hier) in seinen Blog „angestiftet“ hat. Ausgangspunkt war ein Besuch von Peter in Tübingen, wo er Ergänzungsbedarf gerade in Hinblick auf eine (wissenschafts-)theoretische Verankerung des Themas gesehen hat und sieht. Unter den Begriff des „Entwurfsmuster“ möchte Peter den Pattern-Ansatz für die Pädagogik/Didaktik fruchtbar machen, wobei es ihm besonders um ein dynamisches Verständnis geht, d.h. um die Bedingungen für pädagogisch wertvolle Konfigurationen.
Mit dem Wort „Konfiguration“ ist dann auch der Auftakt zu einer eher beschwerlichen Diskussion angesprochen, die noch eine ganze Reihe weiterer philosophisch aufgeladener Begriffe beinhaltet (hier). Wer also gleich am Türeingang das Ziel oder gar einen konkreten Nutzen erwartet, der dürfte enttäuscht werden.
Was also erwartet man, wenn man sich mit Begriffen wie Emergenz, Supervenienz, Ozillation oder Kohärenz beschäftigt? Bei mir selber ist es so, dass sie zunächst reizvoll klingen weil sie auf eine „tiefer liegende“ Ordnung verweisen (siehe unten). Das klingt ganz nach Weltformel und wahrscheinlich ist es diese Sehnsucht nach Einheit, die das (meist) männliche Entdeckerherz ;-) höher schlagen lässt.
In den bisher gemachten Blog-Kommentaren von Peter, Christian und Gabi wird deutlich, dass die Diskussion auf recht unterschiedliche Niveau, vor allem aber mit einem unterschiedlichen Interesse geführt wird. Derzeit sehe ich Peter, der von den o.g. Konzepten beflügelt ist, Gabi geht auf kritische Distanz und stellt den Nutzen in Frage, Christian versucht (zunächst) die pädagogische Ausgangsfrage (vor einem informationstechnischen Hintergrund) zu präzisieren.
Aus meinen bisherigen Kommentaren in Peters Blog wird nicht klar, in welche Richtung ich gern weiter denken möchte: Einerseits kritisiere ich den bisherigen Pattern-Ansatz, weil er unspezifisch bleibt und von der Anlage her das Allgemeine sucht, was das Besondere der Bildung verfehlen kann. Andererseits gefällt mir die Diskussion mit schwindlig hohen Konzepten, weil der analoge Blick andere Perspektiven freilegt, die man sonst nicht sieht. Da ich mich in letzter Zeit intensiver mit dem Buch von T.B. Seiler beschäftige, interessiert mich eine genuin psychologische Perspektive (siehe hierzu auch Gabis Buch Wissenswege). Interessanter Weise spielen für Seiler die Konzepte Supervenienz und Emergenz auch eine Rolle und zwar im Zusammenhang mit dem Bewusstsein. Und von hier aus gedacht: Welche Spezifika und Invarianten lassen sich z.B. beim Konzept der Emergenz feststellen, wenn man den Kontext der Anwendung wechselt? Wenn man z.B. Bewusstseinsphänomene auf der einen und didaktische Settings auf der anderen Seite in den Blick nimmt oder gar organsiationale Effekte beobachtet?
Ich befinde mich mit solchen Fragen weit ab von dem, was meinen Alltag als Unternehmer ausmacht … oder nicht? Einerseits ja, weil das Nachdenken über Emergenz (noch) nicht von Kunden bezahlt wird. Andererseit- so meine ich – helfen mir solche Konzepte bei der Gestaltung und Begleitung von Lernwelten: gar nicht mal im positiven und verfahrenstechnologischen Sinne, sondern eher in dem Sinne, dass ich die Grenzen des unmittelbar Gestaltbaren (und Denkbaren?) besser akzeptiere und dabei eine „Ressource“ vermehrt ins Spiel bringe, die ich für wesentlich halte: Vertrauen. Wer Lernen, gar ein neues, weil technologiebasiertes Lernen initiieren und begleiten will, der muss im Kontext seiner Tätigkeit Angst und Misstrauen reduzieren oder positiv gewendet, Vertrauen in (neue) Technologien, (neue) Rollen und (neue) Lerneffekte stärken, eine gemeinsame Sprache fördern ohne Unterschiedlichkeiten zu übergehen. Nur wenn diese wichtige Randbedingung im Kontext der Didaktik erfüllt ist, glaube ich, wird das wahrscheinlich, was man weiter oben mit Emergenz u.ä. einzufangen sucht.
Die neue Frage ist nun: Was heißt „Vertrauen schaffen“ aus einer Emergenz- oder Kohärenzperspektive? Einerseits denke ich da (wie schon öfter erwähnt) an Michael Lissack, der z.B. in seinem 2002 veröffentlichten Herausgeberband „Interaction of Complexity and Management“ vor allem die Bedeutung der Sprache für die Schaffung von Kohärenz (komplexe Stimmigkeit) im Individuum, Team und Organistion hervorhebt. Deshalb spielen für ihn z.B. Stories, Metaphern, Analogien überhaupt die Beschäftigung mit mentalen Modellen eine wichtige Rolle.
Und andererseits … Ja, ich denke beim Thema "tieferliegende Ordnung" an David Bohm, an seine „implizite Ordnung“, an sein Einführungsbeispiel mit den zwei Glaszylindern mit der viskosen Flüssigkeit, den bunten Farbtropfen, die sich bei jeder Drehung in die „Ganzheit“ der Flüssigkeit eindrehen und bei der richtigen Anzahl der Rück-Drehung „aus dem Nichts“ zum Vorschein kommen (genaue Beschreibung hier). Ich hänge seit meiner ersten Didaktikprüfung 1992 an diesem Beispiel, bin fasziniert von der Idee der Ein- und Ausfaltung der Wirklichkeit, hierzu Bohm: „Man kann dadurch einen vorläufigen Eindruck von der Einfaltung bekommen, daß man sich ein Stück Papier vorstellt, es in der Vorstellung mehrere Male faltet, Nadeln in das Papier sticht, es einschneidet und entfaltet. Man erhält so ein Muster. Also liegt das Muster zunächst eingefaltet und dann entfaltet vor.“ Wenn man nun diesen Musteransatz dynamisiert, dann kommt man zu dem was Bohm „Holobewegung“ nennt: „Mein Vorschlag ist nun, daß die Holobewegung die zugrundeliegende Wirklichkeit darstellt, so weit wir dies überhaupt sagen können, und daß alle Einheiten, Objekte und Formen, wie wir sie normalerweise kennen, relativ stabile, unabhängige und autonome Ausprägungen der Holobewegung darstellen, so wie ein Strudel eben eine solche Ausprägung des Fließens einer Flüssigkeit ist."
Kommt man von diesen analogen Vorstellungen wieder zu den Grundfragen der Didaktik/Pädagogik zurück? Was hat man erreicht, wenn man Wirklichkeit als untrennbare „Holobewegung“ interpretiert? Hat das gar Auswirkungen auf unser Verständnis von Subjekt und Objekt (Fragmente), Bewusstsein und Materie, auf unsere Sprache und das gegenseitige Verstehen, auf den (nicht psychologischen!) Grund, WARUM wir Vertrauen haben können?
Ich befinde mich in Grenzgebieten, … aber ich vermute hier eine Verbindung zu dem, was Peter zu den Ganzheitskonzepten von Christopher Alexander zusammengetragen hat.