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Sind Pattern Analogien? Entwurfsmuster zwischen (kreativem) Entwurf und (wiederkehrendem) Muster
Heute habe ich mir den Vortrag von Christian Kohls bei e-teaching.org angesehen bzw. angehört. Die kompakte Darstellung zur Frage, was Pattern/Entwurfsmuster sind und wie man sich den Mehrwert genau vorstellen kann, ist kurzweilig und klar. Beim Referat sind mir aber doch einige Fragen aufgekommen, die ich hier zusammenfassend darstellen will. Dabei ist das (wieder) zentral, was ich bei Peter angemerkt hatte: die Rolle der Analogie als Erkenntnisverfahren im Kontext der noch jungen Patternforschung. Ich greife zunächst Christians Hauptbotschaften auf und mache dann meine Anmerkungen.
Christian definiert Pattern als „wiederkehrendes Muster“. Das sind Beschreibungen von mehrfach zu beobachteten Zusammenhängen zwischen Kontext-Problem-Lösungs-Sequenzen, wobei ihm der (vom Menschen) gemachte Entwurfs- bzw. Designcharakter wichtig ist. Neben Architektur (eingeführt von C. Alexander) sieht Christian den Mehrwert des Patternansatzes für die Softwareentwicklung und schließlich für die Didaktik/das E-Learning.
Um den Patternansatz für den ZuhörerIn anschaulich zu machen, führt Christian in eine (ausgewachsene) Analogie ein: Er zeigt an einer Landkarte, dass ein Wanderer einen „richtigen Weg“ (Ziel) finden kann, d.h. mit unterschiedlichen „Wirkkräfte“ und „Widerstände“ konfrontiert ist (Probleme), wenn er von einem bestimmten! Punkt A (Kontext) zu einem Ziel B (Lösung) gelangen will.
Und hier kommt gleich meine erste Frage: So sehr ich den Wert von Analogien als heuristisches Erkenntnisverfahren und Veranschaulichungsmittel mag, muss man doch bei der Zielsetzung des Transfers, nämlich den Gebrauch für die Didaktik, festhalten, dass die topologische Struktur der Landkarte sich durch drei Merkmale auszeichnet. Sie ist: invariant, ahistorisch und nicht intentional. Das sind aber drei wesentliche! Beschreibungsmerkmale von didaktischen Settings. Mir liegt fern, Christian zu unterstellen, er habe das nicht bemerkt. Mir selber ist dieser Punkt deshalb so wichtig, um schon sehr früh auf die Besonderheiten (strukturerhaltende Differenzen!) von Mustern zwischen den Einsatzkontexten (Architektur, Software, Didaktik) hinzuweisen – Analogien verleiten dazu, dass man zwar das allgemeine Muster, die allgemeinen Systemmerkmale erkennt, das Besondere aber in der Regel (zu) wenig beleuchtet.
Genau hieran schließt sich eine Aussage von Christian gegen Ende des Vortrags an, wo er sagt, dass das Erkennen von Mustern im Bereich der Softwareentwicklung (Observer) relativ leicht fällt, während sich Pattern im Kontext der Didaktik (sog. Lernpattern) sich durch „Flüchtigkeit, fließende Übergänge und Unsichtbarkeit“ auszeichnen. Leider geht Christian auf diese systemtypischen Merkmale nicht weiter ein, sondern ist zuversichtlich „auch im Bereich E-Learning“ solche Muster wie die der Observer finden zu können, wie u.a. die Beispiele bei e-teaching.org zeigen. Wichtig sei, die „Essenz“, das „Wesentliche“ aus einem Lernsetting herauszuholen und dieses durch Pattern zu beschreiben.
Nachdem ich mir die Beispiele von Christian angeschaut habe, bin ich mir einigermaßen sicher was mich an diesem Ansatz (so wie ich ihn bisher verstehe) stört: die Herauslösung von a l l g e m e i n e n Mustern (das ist doch mit Essenz gemeint!?) führt letztlich zu rel. einfachen (weil kontextunspezifischen) Handlungsregeln, die man über die didaktischen Settings hinweg einsetzen kann. Für mich ergibt sich damit die zentrale Vorgehensfrage: Ist das Wesentliche (in der Didaktik!!) das Allgemeine oder das Besondere oder eine noch zu spezifizierende „Mischung“ aus diesen beiden Quellen? Das meinte ich bei Peter, als ich nach der Q u a l i t ä t der p ä d a g o g i s c h e n Pattern fragte.
Sicherlich war Christians Hinweis, „Beispiele vor der Onlinevorlesung vorzubereiten“ nicht glücklich gewählt, da es erstens nicht immer so sein muss (Beispiele lassen sich unter einer didaktischen Perspektive auch sinnvoll ad hoc entfalten) und zweitens ist eine gute Vorbereitung zur Verhinderung von unnötigen Pausen oder Redundanzen fast schon eine Sekundärtugend ;-).
Im letzten Absatz will ich noch einmal auf das Verhältnis von „allgemein und besonderen“ zurückkommen und hier den Akzent in Richtung kreativen Entwurf (das Besondere) und der Anwendung von wiederkehrenden Mustern (das Allgemeine) ins Auge fassen. Friedrich Hesse hat in seiner Habilitationsschrift das Thema „Analoges Problemlösen“ bearbeitet. Er distanziert sich von einer reinen regelorientierten-schemainduzierten Strategie zugunsten eines zumindest komplementär wirksamen, exemplarorientierten Vorgehens (Hesse, 1991, 199ff). Was hat das mit Pattern zu tun? Ich sehe Parallelen zwischen dem Bemühen der Patternforscher und den Analogieforschern: beide gehen zunächst von verallgemeinerten Mustern aus (Schema; Musterübereinstimmungsprüfung = mapped indentity bei Gick & Holyoak). Struktur-, System- oder Prozessanalogien sind nichts anderes als stabile oder dynamische Muster einer „Kontext-Problem-Lösungs“-Sequenz oder -Einheit oder auch einer dynamischen Konfiguration. Um diese aber in einem anderen pädagogischen „Fall“ als relevant einzustufen und fruchtbar anzuwenden (wie in der Didaktik tägliche Praxis), muss man die Ähnlichkeit erkennen, Teile des Lösungsschemas übertragen und Teile aus dem Beispiel, dem neuen Fall, extrahieren. Letztlich geht es darum, dass man mit der „analogen Krücke“ (dem Pattern) den neuen und immer wieder besonderen, weil historisch einmaligen und intentional aufgeladenen Fall (kreativ) neu entwirft.
Was wäre, wenn wir das Augenmerk bei pädagogisch-didaktischen Pattern neben den allgemeinen Mustern auf die strukturellen Differenzen (structure preserving differences) legen, also auf das, was den je eigenen Fall vom anderen Fall unterscheidet (eben nicht das analoge Muster)? Das klingt wenig wissenschaftlich, ich weiß. Aber die Lehrenden und die, die es werden wollen, schützt man mit einer solchen Strategie vor rezeptartigen Empfehlungen und sie gewinnen mit der Zeit ein Gespür (Kompetenz?) für die zentrale Aufgabe: den besonderen Fall als solchen zu erkennen, daraufhin besondere, d.h. kreative und situationsangemessene, Handlungsmuster zu entwerfen. Letztlich ist das etwas für Künstler und Jongleure und nicht für Wissenschaftler und Architekten ;-) … oder?
Fazit: Die Rolle der Analogie (Möglichkeiten & Grenzen) ist im Kontext der Patternforschung aus meiner Sicht wichtig und zwar in zweifacher Hinsicht:
- Bei der Transferleistung aus der Architektur/ Softwareentwicklung ins didaktische Feld (materiale-, soziale-, mentale- Wirklichkeit).
- Bei der Bestimmung der Reichweite des Patternansatzes innerhalb des didaktischen Feldes (Pattern als analoge Problemlösung).