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Wild Duck oder besser: Exzellenz für alle!

Einen „Ausweg" aus dieser schwierigen Situation (Existenz!) sieht er in einer radikalen Steigerung der Bildungsaktivitäten. Schulen seien aber – was ein Wunder – auf diese Herausforderungen nicht vorbereitet, dort würde man sich noch um den eindimensionalen Menschen bemühen, d.h. dort geht es primär um die Befüllung der mentalen Festplatte mit Fakten. Genau diese Faktenkompetenz sei aber nicht das, was in einer Gesellschaft der Professionellen (Wissensgesellschaft) gebraucht würde! Unter Professionalität versteht er das Zusammenspiel sehr unterschiedlicher Kompetenzen, wobei er nicht das Begriffsgerüst der wissenschaftlichen Diskussion aufnimmt, sondern unterschiedliche Ansätze wie Kreativität, Teamkompetenz, Willensbildung, Begeistung, Empathie, emotionale Kompetenz etc. „mischt", so wie es eben in der (Wirtschafts)Praxis gebraucht werde und wie es praktisch handhabbar sei. Obwohl ihm die Unterschiede der Menschen, deren Charakter und mentalen Vorlieben, sehr bewusst sind (in seinem Buch Empirische Philosophie unterscheidet er 16 Typen mit Untergruppen) pendelt sich das Bildungssoll doch irgendwo bei einem „entrepreneur" ein, der Probleme kreativ lösen, Teams empathisch leiten und Produkte/ Dienste mit guter „Perfomance"verkaufen kann. Vor dem Hintergrund dieser anspruchsvollen Zielfunktion misstraut er allen klassischen Bildungsinstitutionen. Vielmehr sieht er neue Bildungsmöglichkeiten „im Netz", die viel mit Video zu tun haben, dem neuen Leitmedium der jungen Menschen.
Was soll man nun davon halten, vom ehemaligen Chief of Technology (bei IBM) und Matheprof., von seinen Thesen zur Dienstleistungsgesellschaft, den Forderungen nach einer radikal anderen Bildung, dem „Aufbruch"? Die Analyse zur Dienstleistungsgesellschaft ist echt lesenswert, mir waren die Abhängigkeiten, (Optimierungs-)Mechanismen und Folgen vorher nicht so klar. Der Aufruf zu einer anderen Bildung (multiple Kompetenzen) ist von der Stoßrichtung nicht neu, neu ist die skizzierte Bedrohungslage und die geforderte Radikalität nach dem Motto: Wenn wir das nicht schaffen, gibt es sehr viele Verlierer. So bleibt Duecks Ansatz für mich unterm Strich "düster" (hmm, passt auch nicht so recht): einerseits weil er die Entwicklung in dunklen Farben zeichnen (ok, das ist die nüchterne Analyse), andererseits weil seine Vision von der neuen Bildung, der „Exzellenz für alle!", neben den Forderungen nach multiplen Kompetenzen (s.o.) und Netzinfrastruktur in der UMSETZUNGSperspektive dünn bleibt. Es fehlen Strategien für die JETZIGE Schule, die JETZIGE Universität oder aber Transformationsstrategien. Transformation? Machmal – so Duecks – ist es besser, wenn man ganze Teile eines Systems zerstört; dann, so sein mathematisches Kalkül, wird sich das System effizienter neu „einpassen".
Hmmm, ich verlasse Duecks Analysen und Visionen mit gemischten Gefühlen. Seine Bücher (es gibt noch mehr, eher philosophisch z.B. seine Trilogie) waren mir über Weihnachten und Neujahr ein ständiger Begleiter, auch ein paar Mails mit dem Autor selbst waren dabei. Aber trotz Düstergefühle: Ich nehme Vieles mit von diesem „Wild Duck", z.B. den Mut, das Nichtmessbare (vgl. unsere Vereinstagung, 2007) ins Zentrum aller Bildungsbemühungen zu stellen. Ein guter Start in das Jahr 2012.