Ist gut jetzt.
„Zum 31. März 2024 scheide ich als Geschäftsführer aus ‚meinem‘ Unternehmen aus.“
Als ich im Februar 2005 die Ghostthinker GmbH gründete, wusste ich nicht, was auf mich zukommt … zehn Millionen Minuten (das sind in etwa 20 Jahre) randvoll mit Angstschweiß, glücklichen Erstlingstaten, kreativen Entwicklungen, kniffligen Situationen, intensiven Leitungstreffen, schlaflosen Nächten, Klinikerfahrungen, ungemein wertschätzenden Kundendialogen, herausfordernden Keynotes, umjubelten Erfolgen, internationalen Anerkennungen und großartigen Teamgeschichten, im Kleinen wie im Großen. Mir hat mal jemand gesagt, Unternehmertum sei „Selbstverwirklichung“ … nee, mein Gott, es ist „Dschungel“, und der ist verdammt gefährlich und verdammt schön zugleich!
In diesen 20 Jahren haben wir – und das sind wirklich alle im Team – viel erreicht: Mehr als 150.000 TrainerInnen arbeiten im gemeinnützigen Sport (DACH-Raum) mit unserem Ansatz, d.h., sie setzen auf eine kompetenzorientierte Mediendidaktik mit Einbezug der echten Lebenswelt (deshalb auch Reality-Based Learning), integrieren passende Bildungstechnologien mit niederschwelligen wie diskussionsorientierten Videomethoden (deshalb auch Social Video Learning) und pflegen den Austausch von Erfahrungswissen zum Aufbau einer gemeinsamen Wissensbasis in organisationsübergreifenden Netzwerken (deswegen auch Community-Based Learning). Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen: Wir Ghostthinker haben daran unseren An-Teil, … aber andere müssen urteilen.
Ich möchte diesen Post nutzen, um öffentlich Danke zu sagen: Zuallererst geht der Dank an meine Frau Gabi Reinmann: Sie hat alles mitgetragen, vom Startschuss bis Schlussstrich, nicht nur passiv und erduldend, sondern aktiv und gestaltend durch ungezählte Ideen und vier gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte (u.a. SALTO und SCoRe), die uns alle weitergebracht haben.
Der Dank geht weiter an alle Mitgesellschafter: Johannes Metscher dafür, dass er seit Beginn dabei ist und ab 2013 Fulltime als Geschäftsführer Ghostthinker in allen Facetten mit aufgebaut hat. Stefan Hörterer dafür, dass er seit 2008 am Start ist und als „Maschinenraum-Chef“ die gesamte technische Infrastruktur verantwortet. Rebecca Gebler-Branch dafür, dass sie ab 2014 den Bereichen Marketing, Sales und HR überhaupt eine Form und nachhaltige Funktion gegeben hat und ab 2018 mit Johannes die operative Geschäftsleitung teilt. Es gäbe zu allen Drein noch sehr viel mehr zu sagen, aber ich muss es hier bei Andeutungen belassen.
Danken will ich ausgewählten Team-Mitgliedern: Dem gesamten Didaktik-Team mit Veronika Christodoulides, Lea Schmidt, Eva Zehnder und Vivian Paules. Sie stehen für eine neuen Generation von Didaktikerinnen mit viel Kreativität und Professionalität. Unsere „Montagsstarts“ waren etwas sehr besonderes und das lag nicht an den philosophischen Exkursen 😊. Große Freude hatte ich auch mit Christopher Branch. Zum einen durfte ich mit ihm den Deutschen Fußball Bund seit 2016 bei der didaktischen Transformation begleiten – ein echtes Raketenprojekt. Zum anderen konnte ich mit ihm über „Neuland“ im Schnittfeld von Sales und Didaktik „spinnen“, was nicht jeder kann. An dieser Stelle müssten nun noch über 20 andere Namen und Danksagungen folgen, was ich aber ins Private verlegen muss.
Ghostthinker wäre nicht Ghostthinker ohne seine Kunden: Quasi vom Start weg war Markus Söhngen (heute Geschäftsführer des TTVN) an der Produktentwicklung beteiligt. Heute nennt man das vollmündig „Co-Creation“. Ihm ist zu danken, dass er edubreak© immer so behandelt hat, als wäre es sein eigenes Kind. Und natürlich sind es auch hier 10, 20, 30 weitere Co-Creatoren aus X Sportorganisationen, die unsere Produktfamilie und die zugrundeliegende Ausbildungsphilosophie entwickelt, gefördert und kontextspezifisch geformt haben. Mindestens zu nennen sind Wolfgang Möbius, Florian Huber und Maik Halemeier beispielhaft für die Spitzenverbände sowie Ines Hellner und Marco Lutz beispielhaft für die LSBs. Sie alle sind Pioniere, die wiederum Andere mit auf den Weg genommen haben! Und schließlich: Es gibt eine Person im DOSB, die zum einen sehr genau darüber wacht, was die Sportverbände wirklich brauchen; zum anderen denkt sie die vielfältigen „Stränge der Digitalisierung“ zusammen: Wiebke Fabinski. Gemeinsam mit ihr und Gudrun Schwind-Gick konnten wir seit 2012 Vieles auf den Weg bringen: ein Online-System mit dem heute 750.000 Lizenzen einheitlich verwaltet werden, ein Online-Wissensnetz, mit dem über 60 Sportorganisationen bundesweit Erfahrungen austauschen, eine praxisnahe Artikelreihe für TrainerInnen und ÜbungsleiterInnen im Schnittfeld von Digitalisierung und Kompetenzorientierung (u.a. mit Ralf Sygusch von der FAU), eine europäische Sportkonferenz mit Partnern aus mehr als 10 EU-Ländern, Inspiration und Unterstützung zu den Olympischen Spielen 2024 und vieles mehr. Frauen-Power der besonderen Art, eher still und wirksam als mit lautem Getöse.
Ghostthinker wäre nicht Ghostthinker ohne Wissenschaft: Neben Gabi bin ich vor allem mit Andreas Hebbel-Seeger seit 2009 im engen Austausch. Dabei kommen die besten Ideen in heißer Sauna nach KO auf den Squashcourt. Aktuell unterstützt er uns mit seinen Studierenden bei einem KI-Entwicklungsprojekt (SpoKI), dass wir Ghostthinker für den DOSB umsetzen dürfen. Mit Ralf Sygusch verbinden mich viele Gespräche zum Brückenschlag von Kompetenzorientierung und Digitalisierung, was nicht nur das DOSB-Kompetenzmodel bereichert hat. Schließlich hat Ruth Arimond mit ihrer Dissertation unser Kernthema „Social Video Learning“ nochmal so richtig Begründungsschub verliehen und den Weg in die LehrerInnenbildung gebahnt.
Abschließend möchte ich einer Person danken, die meinen mehrjährigen Ausscheideprozess (neben 100 anderen Dingen, die sie tun muss) begleitet hat: Rebecca Gebler-Branch. Jeder Gründer, jede Gründerin da draußen ist mit der eigenen Unternehmung funktional und emotional „verstrickt“. Da braucht man jemanden an seiner Seite, dem man vertraut, der mit Takt und Umsicht sagt: So machen wir das! Danke Dir Becky!
Und nun? Es geht weiter. Bildung ist meine Leidenschaft. Als Berater kann man mich „buchen“. Im Kern geht es darum, die Erfahrungen aus dem Sport in die Wirtschaft bzw. Berufsbildung zu übertragen, denn eines ist sicher: Inspiration, Leidenschaft und Teamplay sind Dinge, die man in einer KI-basierten Zukunft braucht, jede Wette!
Herzliches Ahoi aus Hamburg.
Till Reiners, was ich dir noch sagen wollte…
Am Freitag war ich mit meinem Sohn bei Till Reiners: 800 Fans im Stadttheater Neumünster, Programm-Motto „Mein Italien“ und ein gut gelaunter Till. Der Inhalt in Kürze …
Nach einer spaßigen Einstiegssalve, „Italien, Sprachkurs, Finanzamt“ bot das Motto natürlich auch Tiefgang: Till erzählt von „Chris“. Gemeint ist (der FDP-Politiker) Christian Lindner, sein „neuer Freund“. Er trifft ihn auf einen Kaffee-Schnack in Berlin, begrüßt ihn auf seiner Geburtstagfeier, trägt seine geschenkten Slim-Anzüge, schlürft gemeinsam feinperligen Champagner und bewundert seinen Porsche – alles überraschend politikfrei. Man denkt: „Jetzt hakt’s“. Diese Freundschaft endet in Mailand. Auf einer luftigen Anhöhe, in einem Hotel mit Mondpreisen, sprechen sie dann doch einmal über Politik. „Kinderarmut hat nichts mit Geld zu tun!?“ Beim Ruf- und Fragezeichen scheiden sich die Geister. Till zu Chris: „Ich mag dich nicht“. Chris zu Till: „Du kannst das Hotel jederzeit verlassen“. Till zu Chris: „Ich will, das du gehst … das ist mein Italien!“ Mit dem Schlusssatz wird klar: Hier geht es um Politik, um Verteilungskampf, um Legitimation. „Mein Italien“ steht für das gute und gerechte Leben, geradem Rücken, für unseren Till, wir haben ihn wieder.
Mir hat der Abend sehr gefallen. Das Programm kommt so launig daher. Comedy statt Kabarett, oder? Nee, Till halt, speziell, politisches Comedy, man lacht und denkt „oh ha“.
Zu guter Letzt: Im Anschluss an das Programm konnte man sich von Till ein Poster signieren lassen. Ich war der letzte in der Reihe, also keiner hinter mir. Ich trat also auf Till zu, nette Augen, etwas angeschwollen, von der vielen Arbeit. Ich hätte sagen können: „Till, was für eine großartige Show, was für ein intelligentes Programm, Mensch, gut, dass es dich gibt!“ Und ich? Ich sage nichts, keinen Pieps. Nur, dass ich das Poster haben möchte, mit einer Aufschrift „Für die Ghostthinker“, was er dann auch ohne Murren macht.
Dann eben jetzt: „Till, Du bist ein ‚Leistungsträger‘, klar, nicht im Sinne von Herrn Christian Lindner, sondern im Sinne von Herrn Böckenförde, der sagte: „Der freiheitlich-säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ An diesen Voraussetzungen – an der moralischen Substanz des Einzelnen und am demokratischen Ethos – arbeitets du mit deinen Mitteln.
Klasse!
Eine Mondlandung für den Sport
#Weltraum #Planeten #Rakete #Mondlandung #Astronauten #Narrativa #Collabora #Narrativa #Cognatio … worum geht es genau?
Es geht um das edubreak-Event 2023, eine „Weltraumreise“ der Ghostthinker, zu der Bildungsverantwortliche aus allen Sportarten, z.B. Fußball, Basketball, Tischtennis, Motorsport, Golf und viele mehr, Anfang November eingeladen wurden.
Der Auftakt war durch eine kurzweilige Online-Session 14 Tagen vorher gesetzt, in der wir die Leitthemen „Story-, Self- und Community-Learning“ vorgestellt, Themen in DOSB-Kompetenzorientierung eingebettet und alle auf die Space-Mission eingeschworen haben. Dann der Raketenstart in Leipzig am 09. November: An unserer Startrampe, der „Gustav Mahler Villa“, einem sehr schönen und hellen Haus aus der Jahrhundertwende, versammelten sich ca. 30 VertreterInnen der Sportverbände, ah sorry, Astronauten und Astronautinnen, um Neues zu erfahren, sich auszutauschen oder sich einfach nur inspirieren zu lassen.
Rebecca Gebler-Branch moderierte wie immer gekonnt und leichtfüßig durch den Tag. Nach der Begrüßung durfte ich selbst den Einführungsvortrag halten. Mit 10 Raketendüsen wollte ich die treibenden Kräfte oder besser Erfolgsbedingungen für die digitale Transformation im DFB aus den letzten acht Jahre umreißen. Man muss hören, ob mir das gelungen ist.
Im Anschluss jedenfalls wurde der „Goldene Ghosti“ verliehen, das ist so eine Art „Oscar“ für Bildungsverantwortliche, die sich „über alle Maßen“ für die Ideale von edubreak einsetzen, zumindest aber die digitale Transformation mit didaktischer Kreativität, hartnäckiger Schläue, ansteckendem Mut und ausdauerndem Atem vorantreiben (bisherige Preisträger: Markus Söhngen/TTVN und Christian Steinberg/BBL). Besonders wird dieser Preis deshalb, weil der Goldene Ghosti nicht jedes Jahr vergeben wird, sondern „Ghosti“ selbst den Zeitpunkt und den Preisträger festlegt – sehr eigenwillig halt. Dieses Jahr hatte uns „Ghosti“ den Namen Wolfgang Möbius (DFB) zugeflüstert (ins Ohr von Christopher Branch, unserem Case-Manager für den DFB) – eine sehr treffende Wahl, denn auf Wolfgang passen die Kriterien besonders gut!
Nach diesem feierlichen Akt folgten dann die mit Spannung erwartete Präsentation zur „Neuen edubreak-Welt“: Das sind Innovationen rund um den Social Video-Player, Quer-Verbindungen zwischen Campus, Community und Academy sowie viele neue Features wie schöne Architekturelemente. Anschaulich und zum Anfassen wurde das Ganze im „Discovery Room“, der sich im grottenartigen, aber hell ausgeleuchteten Keller befand. Stephan Ebisch (Product Owner edubreak), Sergej Naumenko (Chief of Player) und Johannes Metscher (Head of All) haben bei der Präsentation vor Kunden und in der Interaktion mit Kunden einen klasse Job gemacht.
Nach diesen „Input-Teil“ – Astronauten müssen informiert werden – ging es mit den Raketen zu den Workshops, sorry, zu den Planeten. Auf Collabora trafen sich Interessierte rund um die Themen „Self-Learning/E-Learning“ (mit Lea Schmidt & Vivian Pauels), auf Narrativa die „Geschichtenentwickler und -ErzählerInnen“ (mit Veronika Christodoulides) und auf Cognatio (mit Eva Zehnder & Selina John) jene, die intensiver über „das Lernen in Gemeinschaften bzw. über Communities“ nachdenken wollten. Was man so hört, waren alle drei Missionen erfolgreich. Am nächsten Tag jedenfalls stellten alle Teilgruppen ihre Erkenntnisse im Hauptraum der Gustav Mahler Villa vor; da war dann alles dabei: Berichtet wurde von Aha-Erlebnissen und intensiven Diskussionen, dem Kennenlernen neuer und passender Technologien bis zu neuen didaktischen Konzepten, die als „Beute“ für die Rückreise auf den Planeten Erde herhalten und zur Weiterverarbeitung in den Verbänden genutzt werden.
Ich überspringe jetzt mal die Yoga-Session mit unserer frisch aus Indien eingeflogenen Meisterin (Selina), den wunderschönen Abend im Neuen Ratskeller mit für einen „Ratskeller“ ungemein leckerem Essen oder auch die vielen informellen Gespräche in den Pausen, Zwischenräumen und Stadtwegen. Fest steht: Ohne die professionelle Leitung und Moderation des Gesamtevents durch Rebecca, ohne die inspirierenden Inputs und Outputs von Mirjam Hruby, Christian Dambach und Jasmin Nagel (Marketing/Social Media/Design), ohne die Workshoparbeit des Didaktik-Teams zu neuen Themen, ohne den anfassbaren Part „Technologie erleben“ vom Entwicklungs- und Kundenteam und schließlich ohne Menschen (Kunden), die für ein solch „verrücktes“ Angebot mental und emotional offen sind, wäre ein Event wie das in Leipzig keine Reise zu den Sternen, sondern ein Schuss in den Ofen.
Gott sei Dank hatten wir am Ende alle Sternenstaub in den Augen – Augen, die nach langer Vorbereitung, intensiven Tagen und dankbaren Kunden nicht nur etwas müde, sondern auch wässrig waren.
Wissens über‘n Gartenzaun werfen
Am 31.08.2023 fand in Essen das EdTech-Forum der Universität Duisburg statt. Ich dachte erst: „EdTech“, da sind alle Bildungsunternehmen Deutschlands am Start, aber weit gefehlt. EdTech steht für „Education & Technology“, was man gut mit „Bildungstechnologien“ übersetzen kann. Professor Michael Kerres – Lehrstuhlinhaber für Mediendidaktik und Wissensmanagement – hatte zusammen mit seinem Team nach Essen eingeladen, um im Rahmen des „Meta-Vorhabens des BMBF“ die Möglichkeiten und Grenzen einer gestaltungs- bzw. designorientierten Didaktik im Kontext primär technologiebasierten Lernens zu diskutieren.
Den Keynote hatte Gabi (Reinmann) von der Universität Hamburg, die mit „Research through Design“ den Tag eröffnete und mit ihren neuen Design-Modell ein Denk- und Sprachangebot lieferte, um den notorisch unterbelichteten „Methodologie-Fleck“ in der gestaltungsorientierten (Hochschul-)Didaktik aufzuhellen. Das Neue (gegenüber bisherigen Modellen) mündet für sie in drei generischen Entwurfshandlungen, nämlich verändernde, untersuchende und ordnende Tätigkeiten, mit der mögliche, wirkliche und verstandene Wirklichkeiten bearbeitet werden. „Gleichzeitigkeit“ und „Oszillation“ sind neue Vokabeln, die „Linearität“ und „Phase“ ablösen. Worum es Gabi auch ging: um einen paradigmatischen Vorschlag, bei dem „Design“ zum leitenden Moment des Erkennens wird, was Folgen für die wissenschaftlichen Standards und die Rolle der Empirie mit sich bringt (vgl. Reinmann, 2023). Das muss man sacken lassen.
Mit Susanne Prediger von der TU Dortmund war eine Forscherin live anwesend, die ich immer schon mal hören wollte: Sie verbindet Gestaltungsorientierung in der Mathematikdidaktik mit dem Designgegenstand „Video“. In ihrem Workshop wurde klar, dass Erklärvideos großes Potenzial haben, dass man Matheaufgaben erfolgreich bewältigt, aber weniger dafür geeignet sind, Mathe zu verstehen. Ha, da gibt es also einen Unterschied 😊. Interaktive Videos mit Fragen, Hinweisen etc. sollen dieses Defizit umgehen. Ihr Video-Beispiel zum selbst Ausprobieren war nachvollziehbar und es wurde auch schnell einsichtig, warum man hier X Entwürfe und Iterationen braucht, damit man den „Kern von Missverstehen“ (in der Mathematik) gefunden hat und eben der „Illusion von Verstehen“ nicht mehr erliegt.
Schließlich war ich noch im Workshop von Peter Brandt vom Deutschen Institut für Erwachsenbildung, der mit Kollegen (Zeitschrift weiter:bilden) ein Innovations-Netzwerk vorstellte, in dem sich Akteure aus Wissenschaft, Praxis und Politik austauschen können und sollen. Hier fiel unter anderem der Satz, dass Wissenstransfer mehr ist als „Wissen über den Gartenzaun“ zu werfen …, sondern? Im Konzept der Perspektivenverschränkung, also einem „aktiven Verarbeiten“ von Wissensangeboten unterschiedlicher Herkunft war die Lösung angedeutet. Klar ist, dass in dieser Unterstützung von Ko-Konstruktion das Wohl und Wehe gelungenen Austauschs liegt. Wie das genau im Netzwerk funktioniert, blieb noch offen, aber mich interessiert dieser Punkt brennend, weil Verstehen und Verständigung zentrale Themen sind, auf die fast alles in dieser verrückten Welt hinausläuft.
Allein diesen drei Impulsen war anzumerken, dass eine gestaltungsorientierte Didaktik dann zielführend ist, wenn sich Akteure aus Wissenschaft und Praxis auf „echte Komplexität“, d.h. Bildungswirklichkeit einlassen (müssen), um gemeinsam Probleme zu sichten und gemeinsam Probleme zu lösen. Dass das nicht mit „Durchwurschteln“ verwechselt werden darf, sondern mit methodischer und intersubjektiver Nachvollziehbarkeit zu tun ist, war Thema und Anspruch des Tages.
Nichts ist und wird ohne Frauen
Ich bin aufgewachsen mit „selbstbewussten Frauen“ und „sanften Männern“, wahrscheinlich sehe ich die Welt nicht so, wie sie ist. Aber wer sieht das schon…
Wer die aktuellen Nachrichten und Netzwerkmeldungen verfolgt, und dabei die Frauen im Blick hat, bleibt bei drei Meldungen hängen. Ich möchte etwas dazu sagen, weil es wichtig ist:
Frauen demütigen: Dass der Chef des spanischen Fußball-Verbandes eine Spielerin der Nationalmannschaft nach gewonnen Endspiel – wie man vermuten darf ohne Zustimmung – auf den Mund geküsst hat, ist bekannt. Man streitet darum, ob es eine Straftat oder Ausdruck von Freude ist. Das eben dieses Nationalteam sich über ihren Trainer wegen sexueller Belästigung seit Jahren beschwert (mit Duldung des Chefs) ist ein wichtiger Hintergrund, um das „Küsschen“ zu deuten. „Der Kuss“ steht also symbolisch für missbrauchte Macht und das muss man ächten. Was sollte man tun? Männer müssen sich ändern: die, die in Versuchung stehen, aber auch die, die passiv zuschauen und schweigen. Medien müssen sich ändern, denn die Rede vom Küsschen stützt den Machtmissbrauch und veralbert die, die geküsst werden. Und dort, wo sich unser Wunsch nach Vernunft nicht realisiert, hoffe ich auf mutige Frauen, die im Fall der Fälle verbal und handfest Widerstand leisten: mit einem klaren Nein, einer öffentlichen Backpfeife oder wirksameren Methoden.
Frauen unsichtbar machen: Dieses Jahr wurde in der ZEIT an den „Marsch auf Washington“ erinnert und damit auch an die radikalen Bürgerrechtlerinnen wie Gloria Richardson, Mahalia Jackson oder Marian Anderson. Sie alle stehen im Schatten des „großen“ Martin Luther King, der mit seiner Rede „I have a dream!“ in der kollektiven Erinnerung blieb. Der ZEIT-Artikel zeigt, dass und wie die Aktivistinnen, ohne die es keinen Marsch gegeben hätte, von der großen Bühne der Anerkennung verdrängt wurden: 1963 steckte man sie in hübsche Kleider statt der gewohnt engen Jeans, man verwehrte ihnen Redeanteile, man sagte ihnen „bleib zu Haus und ruhe dich aus“, damit die öffentliche Aufmerksamkeit den Männern vorbehalten blieb. Während man sie heute „stille Heldinnen“ oder „Kämpferinnen“ nennt, waren es 1963 „Mütter“ und „Ehefrauen“, die ihren Männern beistanden. Coretta Scott King – die Frau von Martin Luther King – war es leid, als „Anhängsel eines Staubsaugers“ dargestellt zu werden. Gegen Ende seiner Laufbahn, als Alfred Hitchcock, der berühmte Regisseur, eine Auszeichnung für sein Lebenswerk bekam, sagte er, dieser Preis gehöre „zu gleichen Anteilen seiner Frau“, einer Frau, die nun wirkliche jede Idee, jedes Drehbuch, jeden Videoschnitt tragend mitgestaltet hatte, wenn man den Recherchen Glauben schenkt. Was sollte man tun? Nichts ist und wird ohne Frauen, das ist eine Tatsache, keine Deutung. „I have a dream“ war schon damals falsch, richtig hätte es heißen müssen „We have a dream“. Merke: Wir haben alle immer nur An-Teil.
Frauen entrechten: Im vom Taliban geführten Afghanistan haben Frauen keine Rechte: Ihnen verwehrt man mit Gewalt den Schulbesuch, Hochschulen sind eh tabu. Diese Meldung bleibt in den Nachrichten auffallend unterbelichtet. Wäre es weltweit genauso still, wenn alle Männer weggesperrt und von Bildung abgetrennt würden? Ohne Bildung reduzieren sich die Rolle und die zukünftigen Möglichkeiten der Mädchen und Frauen auf winzige Optionen, schrecklich. Was muss man tun? Mädchen haben angefangen, sich in geheimen und kleinen Gruppen zu treffen, unter Lebensgefahr organisieren sie ihre Bildung selbst, greifen nach Strohhalmen, die ihre Zukunft bedeuten. Der in Hamburg ansässige „Afghanische Frauenverein“ hilft dabei, dass afghanische Mädchen Chancen haben. Wenn man die Männergesellschaft im Großem schwer verändern kann, muss man im Kleinen anfangen. Mauern fallen durch Risse.
Ich habe kein Fazit. Aber vielleicht ist die Trennung von Frauen und Männern Teil des Problems. Vielleicht ist es besser, zwischen den „Mutigen“ und den noch „Mutlosen“ zu unterscheiden. Denn am Ende gilt – so scheint mir – unsere Ängste zu überwinden: Angst vor öffentlicher Positionierung (Fußball-Beispiel), Angst vor Anerkennungsmangel (Washington-Beispiel), Angst vor Kontrollverlust (Taliban-Beispiel). Dabei können und sollten wir uns gegenseitig helfen: Frauen, Männer, Diverse sowie die Mutigen und die, die noch ohne Mut sind.
Die Seele baumeln lassen
Ein Beitrag von Wolfgang Jenewein auf LinkedIn hat mich mitten im Urlaub „erwischt“: Er reflektiert dort offen über Urlaube, wie sie bei ihm sind und wie sie sein sollten. Er erzählt, dass Urlaube – zumindest früher – durch Frühsport, Kinderfußball und andere Familienaktivitäten gekennzeichnet waren, sie wären in diesem Sinne „durchgeplant“ gewesen. Jeder, der Kinder hat, denkt: Normal! Doch die Ärztin attestiert ihm einen dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel, ein sicherer Hinweis auf Stress, trotz Kinderspaß und dem Gefühl, die Batterien wieder gefüllt zu haben. Die Ärztin rät ferner: „Lass die Seele baumeln“. Jenewein nimmt sich den Rat zu Herzen und experimentiert heute mit Vorsätzen: Einfach mal dasitzen, aufs Meer blicken, an nix denken, loslassen. Gut so!
„Die Seele baumeln lassen“, seitdem ich Jeneweins Post gelesen habe, geht mir die Metapher nicht mehr aus dem Kopf. Nur: Was ist damit genau gemeint? Ich versuche mich in einer Deutung …
Ich denke bei diesem Sprachbild an eine Hängematte, indem mein Körper hin und her schwingt. Oder an ein Kind, das kopfüber mit den Beinen an einer Turnstange baumelt. Also da schwingt was, keine Frage, aber die Seele?
Vielleicht schauen wir zunächst auf den Geist: Der Geist folgt dem Körper bekanntlich nicht auf Schritt und Tritt: Wir können Joggen, bis der Arzt kommt, den Körper also auspowern, aber der Geist arbeitet fröhlich weiter: Nachforderungen aus dem letzten EU-Projekt, habe ich was vergessen? Nächsten Artikel, sind meine Argumente stichhaltig? Kundenwünsche, was will er oder sie wirklich? Die Liste möglicher Gedankenkarusselle ist lang. Aber den Geist kann man beruhigen, durch gemachte Hausaufgaben, gutes Zeitmanagement, Meditation, also „Los-Lass-Übungen“ aller Art.
Aber die „Seele“? Was unterscheidet meine Seele von meinem Geist? Hm, schwer, tiefes Fahrwasser.
Die Seele hat was mit meinem Kern zu tun, meinem Selbst, meiner Potenzialität, also der inneren und äußeren Person, die ich in Zukunft sein werde. In der Literatur ist man sich einigermaßen einig, dass Seele die „Einheit“ aus körperlichen, geistigen, emotionalen, willentlichen und anderen Facetten ist. Aber: Wie kann diese „Einheit“ „baumeln“?
Vielleicht geht es beim Baumeln nicht um ein Hin und Her, vielleicht geht es auch gar nicht so sehr um Ruhe. Wie wäre es, wenn wir die Metapher von der baumelnden Seele als ein „Spiel mit meinem (potenziellen) Selbst“ deuten? Wenn wir durch das Spielen dazu beitragen können, dass die unterschiedlichen und unverbundenen Facetten meines Selbst „zu einer Einheit zusammenfinden“. Das wäre eine hochaktive Tätigkeit, nur eben frei von jeglicher Art von Fremdbestimmung!
Gibt es am Ende also eine Alternative zum Bild der „baumelnde Seele“? Ich werde es mit einem Kreisel versuchen, einer zentrierenden, sich selbst stabilisierenden Drehbewegung. Also, „lass die Seele kreisen“, klingt sehr ähnlich, aber vielleicht führt uns das Bild vom Kreisel und dem Selbst-Spiel in ein anderes Fahrwasser.