Worlddidac 2014: Bewerbungsphasen sind Trainingsphasen
Am Dienstag habe ich 12 Stunden im Auto gesessen – tour und retour. Mein Ziel war Bern, Technologiepark, Präsentationsraum B, Bewerbung zum Worlddidak Award 2014. Dort konnte ich vor einer neunköpfigen Jury unter Leitung von Prof. Gloor unser Bildungsprodukt „edubreak®“ vorstellen. Wir sprechen „english“, klar.
Alle Ghostthinker sind sehr gespannt was dabei herauskommt. Aber wie immer kann man solche Awards auch dazu nutzen, die Sichtweise auf das eigene Produkt (bei uns ist es ja Dienstleistung) zu überdenken, Nutzenargumente und Kommunikationsmittel auf den neuesten Stand zu bringen.
So schreiben wir: „edubreak®CAMPUS is an online learning environment with an emphasis on social video learning for supporting reflection-intensive blended learning scenarios. The key didactic innovation is enabling rich video annotation by participants during the online phases using our pinpoint video comment system. Learning takes place communally within the scope of active exchanges in a safe online environment. As a result, the learners themselves create a lot of valuable content in the form of video commentary and blog entries and reflect on it using video-based e-portfolios. edubreak®CAMPUS is used successfully for training athletic coaches and teachers as well as service workers and managers. It is particularly ideal for continuing education on the “train the trainer” model in which speech is the main medium of exchange.“
Es ist unglaublich, wie lange man an sowas sitzt, versucht die Sache auf den Punkt zu bringen. Dabei haben natürlich unterschiedliche Nutzergruppen unterschiedliche Ohren und deshalb ist es immer ein Optimierungs- und Anpassungsprozess; Sport ist nicht Bank und Service ist nicht Leadership.
Eine für mich wichtige Akzentsetzung in der aktuellen Beschreibung ist die Betonung der Sprache bzw. die Förderung der Vermittlungs- oder Erklärkompetenz, auch wenn es im Text nur kurz angesprochen wird. Das hatten wir in früheren Versionen nicht so bedacht, scheint mir aber wesentlich, denn: Alle Berufsgruppen, bei denen die Sprache zum Kern der eigenen Professionalität gehört, also TrainerInnen, LehrerInnen, Coaches, aber z.B. auch VerkäuferInnen oder Servicekräfte, werden beim Einsatz von edubreak mittels Videokommentierung gefordert, eigene Gedanken durch Verschriftlichung zur explizieren und im Videodialog miteinander auszuhandeln. Das ist ein starkes Moment, das nicht unter den Tisch fallen darf, meine ich.
Kurzum: Bern war klasse, auch wenn ich nur 2 h dort war. Nun heisst es: Daumen drücken!
SALTO und das Futur II.
Das dritte SALTO-Hauptmeeting liegt hinter mir. In der Projektlaufzeit haben wir die 66 %- Marke erreicht, d.h. wir haben noch 1 Jahr um, … ja was, um? Um einen „Ruck“ in den deutschen Sport zu bekommen, jener Ruck, den Altbundespräsident Herzog beschworen hat.
Es geht um „e-Learning“, es geht um „innovative Lehre“, es geht darum, wie die Verantwortlichen für die Aus- und Weiterbildung digitale Medien in die Bildungsprozesse des deutschen Sports einbinden: 60 Sportarten, 98 Mitgliederverbände, 2000 Bildungsverantwortliche und 580.000 TrainerInnen. Das Feld ist groß. Aber das Feld ist auch vermint, an vielen Stellen wollen die Verantwortlichen kein „e“, weil sie damit die Präsenz in Gefahr sehen, weil der PC oder das „Mobile“ doch nicht den Sport ersetzen könne, weil das „e“ so unberechenbar aufwändig scheint, auch noch kostet, irgendwie so fern von Spaß, Schwitzen und Bewegung.
Doch nach dem Ideologiekampf kommen die Realisten. „Blended“ heißt es da, alles wird gemischt, das Beste aus zwei Welten. Ohne „e“ wird der deutsche Sport an Qualität verlieren, so einer der Projektleiter. Aufspringen auf den fahrenden Zug, Entzug wird schwer.
Doch wir wollen keine Angst machen, sondern Mut, Zuversicht, Vertrauen … und Stolz. Stolz? Ja, auf die eigene Lehre, auf wertige Vermittlung, starke Gedanken, besseres Handeln, darauf, dass man jungen Menschen etwas „beibringt“ kann. Geht das nur mit „e“? Natürlich nicht, aber das „e“ macht Bildungsprozesse zeitlich flexibler und intensiver.
Flexibel und intensiv, Wunschprogramm oder Realität? Die Präsentationen auf dem 3. Hauptmeeting haben es gezeigt: Wir reden nicht über kleine Piloten, sondern über eine neue Praxis der Trainerausbildung, die sich bundesweit Bahn bricht. Selbstbeobachtung, Fehler zulassen, Rat annehmen. Das hat weniger mit dem „e“ zu tun als mit Kulturwandel.
Der Kulturwandel ist auch erklärtes Ziel im SALTO-Bildungsnetz, jener werdenden „Online-Plattform“ des Deutschen Olympischen Sportbunds, die Bildungsverantwortlichen Orientierung im e-Dschungel bieten und kollegialen Austausch ermöglichen soll. „Soll“, so möchten wir das alle. Doch, wie geht das Anfangen? In dem man an eine Zukunft glaubt, die es noch nicht gibt, aber so tut, als ob sie schon da ist. „SALTO wird erfolgreich gewesen sein“. Und wir waren dabei. Ja, so könnte es etwas werden.
Social Video Learning … von der Software zur Kulturtechnik
Die 10. Forschungswerkstatt (FWS) von Peter Baumgartner liegt hinter mir. Erstmals war ich dort als „special guest“ für das Thema Social Video Learning eingeladen. Was ist hängen geblieben, wo liegen bei mir die Wow‘s und Ahh‘s?
Klasse fand ich, dass es so unkompliziert möglich war, die Forschungswerkstatt in einem Blended-Format auszurichten, also durch eine vorbereitende und nachbereitende Online-Phase zu rahmen. Methoden erklärt / erfährt man ja am besten durch Methoden. Peter sagte in der Präsenzphase, dass ihm das Potenzial erst so richtig durch eigenes TUN aufgegangen sei. Ja, wir müssen vielmehr zwischen Tun und Reflektion hin und herpendeln, wenn wir Neues in die Welt bringen wollen.
Die Bereitschaft zu experimentieren – selbst im Rahmen einer Bildungsexpedition wie die FWS – ist noch ausbaufähig. Das merkt man z.B. an der Zurückhaltung, eigne Videos von sich in der ersten Online-Phase zur Verfügung zu stellen oder auch in der Präsenz Videos selber zu machen. Aber eines gilt als sicher: Ohne Videos kein Social VIDEO Learning. Und ohne Bereitschaft zur (Re)Kommentierung, ganz bestimmt auch kein SOCIAL Video Learning. Hier geht der Blick weg von der Software hin zu Kulturtechnik. Und hinter der noch werdenden Kulturtechnik steckt die Herausforderung der (teilöffentlichen) Selbstbeobachtung oder ganz generell, der reflexiven Beobachtung (mit Video). Um hier weiter zu kommen, experimentiere ich gern mit so etwas wie „Situationen einfrieren“, also live im Workshop, das wirft alle Beteiligten „aus der Zeit“, lässt uns für einen Moment „neben uns stehen“, es ermöglicht und legitimiert (!) eine Beobachtung der Dinge und Prozesse, die im Raum „passieren“. Interessanter Weise geht das im Sport leichter, da werden Videos zur Bewegungsanalyse gedreht bis der Arzt kommt, Kommentierung und Rekommentierung fallen leicht und sind gängige Praxis. Vielleicht weil der (funktionalisierte) Körper im Zentrum steht, nicht die ganze Person, die Persönlichkeit? Kann sein. Ggf. ist so eine De-Zentrierung von der eigenen Person eine wichtige Voraussetzung dafür, mit Videos als Instrument der Selbstreflexion und damit Selbstzentrierung zu arbeiten. Paradox, aber fruchtbar. Aber es geht auch einfacher: Wenn ich z.B. als Ingenieur oder technische Servicekraft ein technisches System videografiere, ich selber als Person nicht vor die Linse komme, dann ist das mit dem Video kein Problem und ich denke auch mit der Kommentierung nicht. Fangen wir also besser bei den Ingenieuren an ;-).
Sehr interessant in der Forschungswerkstatt waren die Perspektiven der Teilnehmer und Teilnehmerinnen: Kunstpädagogin, Veternärmediziner, Schulpädagoge, IT-Unternehmer, Lerndesignerin / Cutterin, Sozialinnovatorinnen, … alle schauen auf „Video“ und die didaktischen Möglichkeiten, nicht nur als Repräsentationsmedium, sondern als Mittel für Konstruktions- und soziale Aushandlungsprozesse. Letzteres war neu und in der Werkstatt wurden nicht selten von Seiten der Kunstpädagogik (Perspekivität, Macht, Konstruktion) interessante Querverbindungen aufgezeigt, die gerade für die Didaktik fruchtbare Impulse liefern.
Fazit: Das Thema Social Video Learning ist für mich ein „schlafender Zwergriese“: Schlafend, weil wir die Potenziale für individuelles Lernen und organisationale Zusammenarbeit erst langsam verstehen. Zwergenhaft, weil man das Potenzial ganz simple darin sehen kann, mehr „Interaktion in das Thema Video“ zu bringen. Riesenhaft deshalb, weil die koordinierende und kohärenzschaffende Funktion von Videokommentaren vom Individuum über Gruppen bis ganzen Organisationen praktisch am Anfang steht und theoretisch Neuland ist (vgl. Lissack). An dieser Stelle möchte ich jedenfalls weiterdenken, gern auch in Kombination mit Pattern, so wie es Peter angekündigt hat.
Von „Schwererziehbaren“ lernen – eine Buchbesprechung
Ich kenne Nobert Büning seit der diesjährigen didacta in Stuttgart. Wir sind uns nur kurz begegnet, haben ein paar Worte gewechselt und vielleicht auch etwas in die Zukunft geblinzelt. Nebenbei haben wir über sein neues Buch gesprochen „Lernen im Unternehmen“. Ich war interessiert. Ein Tag später liegt das Buch in meinem Postkasten, mit einem lieben Gruß. Über Ostern ist dann eine kleine Buchbesprechung entstanden, gacker, gacker.
Emotions in Learning … Sprünge, keine Hüpfer
Am Dienstag war ich in Zürich, um an der eLearning Konferenz SeLC teilzunehmen. Die Organisatoren (u.a. Tagesmoderation Prof. König und Dr. Stoller-Schai) hatten sich viel Mühe gegeben, um einen guten Mix aus fachlichem Input, diskussionsorientiertem world café und humoriger Reflexion rund um „Emotions in Learning“ zusammenzubringen. Bei dieser Aufzählung fällt der Humor gleich ins Auge, der auf vielen Konferenzen einfach zu kurz kommt. Durch die Integration eines Spontantheaters wurde nicht nur gelacht, sondern auch nachgedacht – wer wollte.
Ich selber war als Referent in einer der world cafés aktiv. Meinen 10 min Impuls „Social Video Learning – ein Medium bekommt Flügel“ war geeignet (u.a. durch beipielhafte Einbettung in einen Servicekräftetrainings-Fall der swisscom, Danke an Herr Früh!), um Fragen gerade zur Didaktik anzustiften. Teilnehmern/innen primär aus der Wirtschaft, aber auch aus dem Gesundheit- und Hochschulbereich fanden die Möglichkeiten des Videodialogs interessant: Weg von der rezeptiven Einbahnstraße hin zum sozialen Austausch, wer will das nicht?
Aber genau an dieser Stelle wurde an den Tischen etwas ganz anderes sichtbar, nämlich, ob die eigene Organisation solche Dinge wirklich, wirklich (!) gut findet: Videos aus dem echten Leben, unternehmensweiter Austausch, Offenheit und Kritikoption durch Kommentierung oder ganz generell: „Hier spricht der/die Mitarbeiter/in!“. Und so kommt man von der technischen Möglichkeit, über didaktische Notwendigkeiten zu Fragen der Lern- und Organisationskultur.
Um das gleich wieder einzufangen, sollte man didaktische Entscheidungen einfordern: Wer darf Videos machen? Auch die Mitarbeiter/innen? Einfach so, ohne Kontrolle? Welche Art von Videos? Wer macht Videokommentare? Haben die Videos genügend Relevanz, dass man sie kommentiert? Haben die Mitarbeiter/innen überhaupt den Mut, Kommentare zu machen? Ist Mut hier der richtige Begriff? Wer sieht Videokommentare, welche, wann? Was bringt das alles? Welche Währungen stecken in diesem „Bringen“? Wer regelt das, social guidelines? Wer handelt die aus? Wie handelt man aus?
Man merkt, der Weg beginnt mit Fragen, die so neu nicht sind. Neu ist, dass die Mitarbeiter/innen ihr Lernen (und die Bedingungen) vielleicht stärker als bisher selbst zum Thema machen. Und das ist gut so, denn das hat viel mit Emotionen zu tun und lässt auf Sprünge hoffen, keine Hüpfer.
Wieder in Wien – 10. Forschungswerkstatt
In den letzten Jahren habe ich immer wieder versucht an der Forschungswerkstatt von Peter Baumgartner teilzunehmen. Zweimal ist mir das gelungen (Emergenz und soziale Innovation) und jedes Mal bin ich mit Gewinn nach Hause gefahren.
Auf Einladung von Peter stehe ich nun selber „vorne“, als Referent, um mit vielseitig interessierten Teilnehmern/innen eine didaktische Expedition zum „Social Video Learning“ zu wagen. Expedition, das klingt nach Neuland, ja, das ist es wohl auch. Die didaktischen Potenziale einer punktgenauen Videokommentierung und der soziale Austausch mit diesen Videoartefakten ist eine noch junge Innovation. Wir Ghostthinker betreiben diesen „Sport“ zwar schon im siebten Jahr, haben also Erfahrung, aber es gibt immer noch so viel zu lernen, das merken wir jeden Tag bei Kunden oder auch in der wissenschaftlichen Distanz.
Umso mehr freut es mich, dass Anfang Mai ganze zwei Tage für die wissenschaftliche Durchdringung eingeplant sind. Vielleicht klappt es, dass wir die Forschungswerkstatt gleich im Blended-Format umsetzen, denn dann können die Teilnehmer/innen Social Video Learning erleben. Wir wollen ja nicht von einem Geist sprechen.
Wer also Lust und Zeit hat, sich mit einer wissenschaftlichen Fragehaltung dem Thema zu nähern, der/die ist herzlich eingeladen. Den Anmeldelink findet ihr hier.