Das schafft nur die didacta

Was mir an der didacta nun wirklich gefallen hat? Es fühlte sich ein wenig an wie ein Fest, mit vielen bunten Teilnehmern/innen aus den unterschiedlichsten Bereichen: sehr viele Lehrer/innen mit Rücksäcken und vollgestopften Taschen, wohlrasierte junge Männer (auch Frauen in knappen Röhrenröcken) an übergroßen touchscreens oder whiteboards turnend, große und kleine Stände mit Hochglanzmedien von Buch bis Video. In all diesem Trubel und Würstchengeruch dann der Höhepunkt in einem der 100 Flure: ein Schülerchor, ein Musiklehrer mit Zopf … und alle sangen aus voller Brust: „Die Gedanken sind frei“, herrlich, so viel Widersprüchliches von business-like bis beschaulich unter einem Bildungsdach. Das schafft nur die didacta!
Und die Geschäfte? Wir hatten „interessante Gespräche“, so sagt man ja. Aber im Ernst: Ich habe z.B. zum ersten Mal Karlheinz Pape getroffen (mr barcamp), dem unser Social Video Learning-Ansatz gefiel (Frank Siepmann sprach gar vom „next big thing“) und der ein Video vom euphorischen und sportvernarrten Frank gemacht hat (hier zum Anschauen). Oder Norbert Buning, der das eLearning Forum moderierte und uns in den Pausen gekonnt informell den ein oder anderen Interessenten zuspielte – cool, so macht das Spaß und so und nur so finden man die Geistesbrüder und Geistesschwestern. Schließlich hatten wir eine Reihe von Gesprächen, die in Richtung Videoinstruktion gingen. Ja, das ist jetzt Trend, diese Sache mit „dem Video“. Deshalb gilt auch bis auf weiteres unser Motto: We STOP Videos, … dann kommt was in Bewegung ;-).
Interview zum „Blended Learning“

Ich habe das Gefühl, dass dieses Jahr so einiges in Bewegung kommt (u.a. Dank SALTO): die Anzahl der Fachverbände aber auch Landessportbünde steigt an, die sich mit Blended Learning beschäftigen wollen und sicherlich auch müssen. 2014 ist Blended Learning kein Thema mehr für Exoten, Pioniere oder Außenseiter, sondern geforderter Alltag von Leitungspersonal im Bereich Aus- und Weiterbildung. Meine feste These: An dem „Besten aus zwei Welten“ (Präsenz & Online) kommt niemand mehr über kurz oder lang in der Methodenevolution vorbei.
Für die E-Learning-Fach-Community ist das was ich sage nicht neu. Aber darum ging es im Interview auch nicht. Ziel war es vielmehr auf die typischen Fragen zu antworten, die bei Novizen zu diesem Thema gestellt werden. Es geht um Grundverständnis, Befürchtungen bzw. Ängste und Potenziale.
In diesem Zusammenhang wird für mich die Frage einer „klugen“ Implementation (jenseits von analytischen Modellen) von Bildungsangeboten immer interessanter: Wie (!) führt man in Blended Learning ein? Welches Wissen brauchen Novizen, beim Start und im Prozess? Wie beteilige ich Lehrreferenten, wie Geschäftsführer? Wie organisiert man das ZusammenSPIEL auf der Mikro-, Meso- und Makroebene (vgl. Euler) und zwar in den verschiedenen Zeitphasen.
Nachdem wir nun schon viele Jahre dabei helfen, Blended Learning in Sportorganisationen „ans Laufen zu kriegen“, ist die Zeit reif, intensiver über diesen „dynamischen Prozess der Implementation“ nachzudenken und Elemente für ein (pragmatisches) Modell zusammenzutragen.
Am Montag war ich in Dubai
„LEADING TRANSFORMATION TO SUSTAINABLE EXCELLENCE – Featuring three refereed international scientific conferences on Quality, e-Learning Excellence and Healthcare & Environment” so der vollständige Titel der größten Fachkonferenz im arabischen Raum. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, die weite Reise nach Dubai anzutreten, um im sportbegeisterten Dubai für das didaktische Konzept rund um den edubreak®CAMPUS und das Einsatzfeld „Sport“ zu werben. Grundlage für die Reise war ein wissenschaftlicher Artikel, den ich zusammen mit Gabi Reinmann geschrieben habe. In diesem Artikel nehmen wir erstmals die multiplen Interventionsstrategien im “Flaggschiff-Projekt” mit dem Deutschen Tischtennis Bund e.V. (SALTO-Teilprojekt: Blended Learning) unter die Lupe. Diese Entwicklungen seit 2007 lassen sich als „sozialer Wandel“ deuten, also genau das, was auch als Leitidee hinter SALTO steht.
„In the end it will be the “orchestration” of didactical, technical, cultural, organizational and financial aspects at different levels (micro-, meso- and macro-level) to tip the scales in favour of triggering and consolidating a social change. This social change will alter two things: the concrete training practice of coaches and moderators, and the structures that stabilize and “protect” such new practices. The DTTB is well on its way to implementing a “system change”, which turns it into the flagship of German (and international) sports as far as the implementation of digital media in coach training is concerned. (Aus: Vohle & Reinmann, in print: Social video learning and social change in German sports trainer education).“
Obwohl keine Sportfachleute beim mündlichen Vortrag vor Ort waren, konnten ich doch eine Reihe positiver Rückmeldungen einfangen. Der Schwerpunkt der nachgelagerten Diskussion vor allem mit Kolleginnen aus den USA lag interessanterweise auf dem Thema „learning to teach“, also dort, wo edubreak® immer schon seine Stärken ausspielen konnte, nämlich bei der Ausbildung von Sporttrainern/innen, aber eben auch Schullehrern/innen, Hochschuldozenten/innen, freien Coaches, beruflichen Ausbildern/innen, kurz: im reflexions- und sprachintensiven train-the-trainer-Model.
Ich fahre mit vielfältigen Erfahrungen zurück nach Deutschland. Zum Ersten weiß ich: Alles wird „smart“, zumindest in Dubai. Gemeint ist der mobil-Trend. Ganz manifest wird das durch die aktuelle Umwidmung der Hamdam bin Mohammed smart University, früher „e“ University. So macht man das in Dubai. Zum Zweiten spielen im arabischen Raum bisher noch (große) Techniknamen eine Rolle: Man setzt auf Smartboard, Mac, iPad etc. Das genaue didaktische Szenario oder eine didaktisch inspirierte Technologie wird noch weitgehend ausgeblendet bzw. wurde wenig diskutiert. Wie so oft auf Konferenzen vermisse ich die dichte Beschreibung von Beispielen. Zum Dritten hat mich die Breite der Teilnehmer/innen fasziniert: pechschwarz gekleidete Frauen aus dem Oman nur mit Augenschlitz auf der einen Seite und freche Amerikanerinnen in Freizeitkleidung auf der anderen Seite; dazwischen allerhand weiße Gewänder mit Turban und klassische Schlipsträger europäischer Prägung. Ich hatte den Eindruck, dass der wissenschaftliche Rahmen – ganz analog zum olympischen Frieden – DIESE Unterschiede für den Moment in den Hintergrund treten ließ.
Aus Riesen werden Zwerge
In der Rolle des Ghostthinkers berate ich viel und gerne. Es geht um Mediendidaktik im organisationalen (Sport)Kontext, um Strategie und Implementationsfragen rund um e-Learning. Wer aber glaubt, wir Ghostthinker selber brauchen KEINE Beratung, der ist auf dem Holzweg. Seit gut einem halben Jahr sind wir im Austausch mit Barbara Lampl, im Herzen selbstverständlich eine „Ghostthinkerin“, offiziell mit dem Titel „Strategieberatung“ unterwegs. Ich muss sagen: Die kann das gut und das sage ich nicht schnell, denn wir sind sehr, sehr wählerisch. Sie verfügt über die seltene Fähigkeit komplexe Sachlagen rasch zu erfassen und spielerisch aufzuschlüsseln, sie handhabbar zu machen. Mit spielerisch meine ich eine Art „geistigen Tanz“, der einen in einen produktiven Flow verwickelt und selber zu (neuen) Lösungen führt. Sie sagt: „In guten Leuten steckt alles drin, aber sie sehen es nicht, ich helfe, Sachen sichtbar zu machen“. Ich habe artig danke gesagt, sie ist u.a. auch Vertriebsexpertin ;-). Und genau das ist es auch: Von Strategie bis Marketing, von Technologie bis Pricing, das geht alles unter einen Hut, nicht anstrengend, sondern leichtfüßig. Aus Riesen werden Zwerge gemacht, Jim Knopf lässt grüßen. Es macht Spaß, ich habe auf die Umsetzung Lust und genau daran messe ich u.a. die Güte des Beraters, denn: „Wenn du da kein Bock drauf hast, dann machst du es eh nicht“, sagt Frau Lampl. Wo sie Recht hat, hat Sie Recht.
was war, was wird

Es macht viel Freude zu sehen, dass sich im deutschen (organisierten) Sport etwas tut, sich Energie auf kritischem Niveau „verdichtet“, erste Umrisse einer modernen, webgestützten Ausbildung in der Praxis sichtbar werden. Es ist zwar noch unendlich viel zu tun, ehe man diesen „Tanker“, diese Megaorganisation der Sportbildung (!), bezüglich der Ausbildungsqualität von TrainerInnen in eine neue Richtung bringt, aber mit den vielen Akteuren und Programmen die z.Z. laufen (BMBF-Projekt SALTO; Fachtagungen; Innovationsfond des DOSB etc. und unsere eigenen Impulse) wird es gelingen. Warum mir persönlich dieses „Projekt-Bündel“ so viel Freude macht? Klar, ich komme aus dem Sport, die Zukunftsfähigkeit des organisierten Sports liegt mir am Herzen. Darüber hinaus: Man kann so unendlich viel lernen, über das mediengestützte Lernen (innerhalb dieses komplexen Falls) selbst, von Individuen, Gruppen und Organisationen: Über die Frage, (a) welche Muster von Blended Learning funktionieren (welche nicht), (b) welche Aufgabentypen eine Didaktik der „Reflexion durch Produktion“ fördern, (c) wie die Begleitung und das Feedback ausgestaltet sein müssen, (d) welche (sozialen) Technologien die besagte Didaktik unterstützen, (e) wie sich der Erfahrungsaustausch von lose gekoppelten Organisationen fördern lässt – bundesweit, (f) wie (Teil-)Organisationen selber ihr Lernen (und Nicht-Lernen) beobachten und neue Lernwege suchen, finden und verstetigen und damit sowas wie organisationale Reflexivität aufbauen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Entscheidend ist aber nicht die Einzelfacette, sondern das SYSTEM der Maßnahmen auf der Mikro-, Meso- und Makroebene, um eine gängige Einteilung zu wählen. Das hängt also alles zusammen, die Maßnahmen bedingen sich gegenseitig, fördern und begrenzen sich, bilden eine neue „Gestalt“. Daran mitzuwirken, ja das macht mir Freude, schafft für mich Sinn. Davon gern mehr in 2014!
P.S. Oben im Bild der Blick von der „Denkalm„, heute Vormittag geschossen, der rechte Ort für Ghostthinker ;-).
Guter Geist
