Boundary Work … Was ist Entwicklungsforschung?

Es ist immer schwer abzuschätzen, ob eine solche „rohe" Entwicklungsgeschichte die Erwartungen der Zuhörer trifft, … aber darum geht es ja auch gar nicht. Am Ende habe ich die Frage gestellt, ob DAS Entwicklungsforschung sei, ob die Teilnehmer also in dieser edubreak-Geschichte diejenigen Kriterien wiedererkennen, die ihnen in den theoretischen Texten zur Entwicklungsforschung geläufig sind. Grob gesprochen waren die Rückmeldungen zweigeteilt: Die eine Seite erkannte durchaus einige Kriterien wieder: Problemorientierung, Zusammenarbeit mit Praxispartnern, mehrere Iterationen, begleitende „Forschung" (da komme ich noch drauf), Präsentation in der Fach-Community, letztlich Lösung eines Bildungsproblems. Die andere Seite erkannte diese Kriterien unscharf in der unsystematischen (da phänomenorientierten) Darstellung, tat sich zudem mit dem Merkmal „Forschung" schwer, womit wir beim Punkt sind :-).
Was ist also die „Forschung" innerhalb der Entwicklungsarbeit? Etwas Eigenes, Getrenntes? Also erst entwickeln und dann z.B. richtig (!) evaluieren? Explizierung aller Entscheidungen innerhalb der oft impliziten, rekursiven (chaotischen) Entwicklungsarbeit? Theoretische Fundierung und „saubere" Ableitung der Annahmen, Fragestellungen und Ziele? Hier springt der Frosch ins Wasser, würde Ulrich Fahrner sagen.
Mir selber geht und ging es gestern deswegen gar nicht um die Frage, wie man die Arbeiten um edubreak so darstellen kann, dass es in der Community als Entwicklungsforschung akzeptiert wird, also besser strukturieren, besser explizieren, ordentlicher evaluieren (Entschuldigung, da war meine Schlussfrage sicher irreführend). Sondern: Es ging mir darum gemeinsam zu explorieren, ob in den skizzierten Prozessen TYPISCHE Momente/Phasen zu identifizieren sind, die wir begründet als Entwicklungs-Forschung bezeichnen wollen! Dabei ist die Erarbeitung von Qualitäts- oder Gütekriterien für diesen Forschungstyp Neuland. Leicht erwischt man sich dabei, dass man analogisierend und hilfesuchend Gütekriterien aus der qualitativen Sozialforschung in diesen Bereich verlängert, deshalb die Forderung nach „richtiger" Evaluation, Explizierung der Entscheidungen etc.
Meine Grundthese (darin fließen Argumente der gemeinsamen Sitzung ein, vgl. Gabis Eintrag) ist, das wir im Rahmen einer entwicklungsorientierten Bildungsforschung mehr oder weniger AUCH chaotische, implizite und damit wenig bis gar nicht explizierbare Entscheidungen als typischen Forschungsakt akzeptieren bzw. einfordern müssen. Das stößt sich freilich mit dem Axiom einer letztlich mathematischen Wissenschaftsauffassung, die keine „dunklen Flecken" akzeptiert. Wenn uns aber Bildungsinnovationen (Sonderfall der sozialen Innovation) wichtiger sind als methodische Ideologien (also Vereinseitigungen), dann gilt es doch, die Methode sowie die Standards (der Entwicklungsforschung) den notwendigen Veränderungsprozessen anzupassen und nicht umgekehrt sich in die Irre führenden methodischen Imperativen unterzujochen.
Ja, mal wieder große Kaliber mit ansteckender Revolutionsrethorik. Wer sich hier anschließt, sollte mindestens einen langen Atem mitbringen, denn weder sind große Forschungsgelder, zeitnahe Akzeptanz in der wissenschaftlichen Community noch ein kalkulierbarer und „glatter" Forschungsalltag zu erwarten. Puhh, nix für Nachwuchswissenschaftler, … oder gerade doch?
Wiener Luft

Veränderungskultur, Change Agents, Erneuerung im hier diskutierten „sozialen" Sinne sind keine Hobbythemen von Unruhestiftern oder Effizienzfanatikern. Soziale Innovationen kommen vielmehr nicht ohne Fragen nach dem guten Leben, gerechter Entlohnung, kreativer Arbeit oder allgemein humanen Umgang mit Mensch und Natur, aus. Hier sehe ich im Übrigen ein hartes Abgrenzungskriterium zur „normalen" (meist) technischen oder betriebswirtschaftlichen Innovation. Am Ende machen diese normativen und gemeinwohlorientierten Ziele die Sache nicht leichter, aber es rechtfertigt, warum die Staatengemeinschaft in diese Projekte in den kommenden Jahren mehrere Milliarden Euro investieren wird.
bilden & branding

DASS diese beiden Gruppen und thematischen Ausrichtungen überhaupt auf EINER Tagung zu finden waren, ist ein Verdienst u.a. von Wolfgang Berchthold (Spiel & Sport team). Ihm war und ist es wichtig, dass sich Vertreter beider Welten begegnen, dass genau dieses Spannungsfeld sichtbar wird und die Vertreter ihre Positionen an Beispielen erläutern. Es war erstaunlich zu sehen, wie artig (und nachdenklich) alle zugehört haben, ich hätte gedacht, jeder wirft dem jeweils anderen „Weltvergessenheit" vor, dem war aber nicht so.
OB die persönlichen Entscheidungen der Teilnehmer an ihrer jeweiligen Arbeitsstätte TATSÄCHLICH anders werden, vermag ich nicht zu sagen. Aber ich sehe schon einen Fortschritt darin, wenn man hin und wieder wahrnimmt, was in dieser Welt im Bereich Jugendmarketing der FALL ist: z.B. ganze Kindergeburtstage in lilly-fee rosa, Prinzessinenwahn überall bis zu Germans Next Top Model (für klein und groß) aber auch kritische Überlegungen zur Konsumideologie und zum Ausverkauf der Kindheit. „Lösen" kann man den Widerspruch von „bilden & branding" nicht, aber bewusst(er) damit umgehen, das kann auch nicht schaden.
Mitglied in der DRF … und die GOR 2012

Mannheim, GOR 2012 (online research), deshalb bin ich dort gewesen. Zusammen mit Jan Kercher und Marco Bachl von der Universität Hohenheim (Lehrstuhl Kommunikationswissenschaft / Brettschneider) hatten wir Ghostthinker bei der GOR ein Paper eingereicht, indem die Hohenheimer ihre Untersuchungsergebnisse zum MediaLiveTracker, unserer neuen webbasierten Videoechtzeitbewertung, präsentiert haben. Das Thema ist spannend, denn auf diesem Sektor gibt es nur sehr wenige und teure (offline) Systeme, die u.a. recht unflexibel sind. All das ist der MLT natürlich nicht, weswegen sich auch gleich im Anschluss an das Referat eine erste Kooperationschance aufgetan hat. Hier gibt es interessante Querbeziehungen zur Bewertung von Werbevideos, also etwas, was für am 21. März Köln auf der Tagung kids & marke vorstellen werden. Das hat zwar nicht mehr so viel mit Bildung zu tun, aber durch unsere systematischen Variationen bei der Videoannotaion bauen wir einerseits unsere technische und didaktische Kernkompompetenz weiter aus und eröffnen uns andererseits mit der Zielsetzung „Analyse/Forschung" neue Chancen, Produkte und Dienstleistungen an den Mann/Frau zu kriegen.
Kapitalisieren! Der ANDERE Sport

Am ersten Nachmittag konnte ich im großen Hörsaal gleich mehrere „Topspeaker" hören: zunächst einen „1:1-Talk" mit DOSB-Präsident Dr. Thomas Bach: Gefragt wurde nach Olympia 2012, nach Fernsehrechten und nach den neuen Möglichkeiten der Vermarktung, die das Internet bietet; gerade hier böten sich neue Chancen für den Breitensport an. Im Anschluss hat der Geschäftsführer von Borussia Dortmund einen coolen Auftritt gehabt – cool, weil er authentisch aus dem Nähkästchen des Clubs gesprochen hat, von der gewaltigen Schuldenreduktion, der neuen Markenführung (Stichwort: echte Liebe) und wie er mit Klopp & Co die Geschäfte führt. Ich fand das sehr professionell und sympathisch.
Bevor der Marketingpreis des Sports 2012 vergeben wurde, hat Herr Kaiser (FASBO) die Trends im Sportmarketing skizziert. Er hat deutlich gemacht, dass die Zukunft (bis 2020) in der Nutzung des Rückkanals und damit des Internets liege; Facebook mit seinen 800 Mio. Nutzern spiele eine zentrale Rolle. Ich hätte rufen können: AnnotateMe! Habe ich mir aber verkniffen. Am Folgetag wurde dieser Ansatz (Social Media im Sportclub) nochmal in einer eigenen gut besuchten Session vertieft.
Was ich nach all dem Feuerwerk um Bindung der Fan-Community, Markenkommunikation und Rechtevergabe beachtlich fand, war das Fazit von Kaiser: Er sagt, dass der ökonomische Wert des Sports entscheidend davon abhängt, dass der Sport „sauber" gehalten wird. Damit meinte er nicht nur dopingfrei, sondern ich hatte den Eindruck, dass es ihm um den authentischen Sport ging, das echte, regelkonforme Wetteifern um einen von Zaum gebrochenen Streit. Würde dieser Sinnkern aufgegeben oder ausgehöhlt, dann wäre der Sport eben nicht mehr der „beste Werbecontent der Welt".
Ah, gibt es da doch eine Verbindung zur Sportbildung? Ja, aber nur vermittelt, denn das Marketing hat kein genuines Interesse am „sauberen Sport", nur am lupenreinen Ergebnis. Aber das Ergebnis fällt nicht vom Himmel, sondern wird von Sportlern, Trainern und Vorständen (und Fans) immer wieder erneuert und zwar vor dem Hintergrund einer Idee, der Idee des Sports. Leider gibt es zu diesem Thema keine Sesson auf der SpoBIS 2012, obwohl die damit verbundenen Fragen (Kulturelle Sportidee meets Business) immer wieder aufkommen! Z.B.: Wie weit darf man Fans mit Werbebotschaften traktieren? Wie stark darf ich sie in eine Community einbinden, ihr Profil studieren, dieses nutzen? Darf man Anstoßzeiten wegen besserer Vermarktung verschieben? Was sollte ich bei einem Spielertransfer beachten, gibt es Grenzen? Das sind alles Fragen, die nicht auf Ja/Nein-Antworten hinauslaufen, sondern nach „fairen Lösungen" rufen. Ich bin gespannt, ob der SpoBIS 2013 mal eine Session macht, zur „Business Fairness" oder zum „Think Green", wie man aktuell auch sagt.
Videoannotation und situierte visuelle Muster in der Lehrerbildung


Ich bin sehr froh, das sich Wolf Hilzensauer von der PH Salzburg entschieden hat, im Rahmen seiner Dissertation genau dieses Thema nun auch empirisch anzugehen, d.h. den "holistic approach" aufzugreifen, ihn auszubauen und vor allem an die Situation in der Lehrerbildungin Österreich anzupassen. Damit wäre der edubreak®CAMPUS (und seine Didaktik) nicht nur in der Lehrerbildung angekommen, sondern würde auch eine qualitative Vertiefung erfahren.